Geowissen

Nordsee: Alte Bohrlöcher speien Methan

Gas-Leckagen rund um stillgelegte Bohrlöcher setzen tausende Tonnen Treibhausgas frei

Ölförderplattform in der Nordsee. Wie sich jetzt zeigt, setzen auch stillgelegte Bohrlöcher noch Methan frei. © L. Vielstädte/ GEOMAR

Verborgene Lecks: Alte Bohrlöcher in der Nordsee sind eine bisher unerkannte Quelle des starken Treibhausgases Methan, wie Messungen enthüllen. Jährlich entweichen demnach tausende Tonnen Methangas aus dem Sediment rund um solche stillgelegten Förderbohrungen. Weil die meisten dieser Bohrlöcher in flachen Meeresgebieten liegen, kann das potente Treibhausgas durch das Wasser bis in die Atmosphäre gelangen.

Methan ist bekanntermaßen ein potentes Treibhausgas, seine Treibhauswirkung liegt bis zu 30-fach höher als die von Kohlendioxid. Natürliche Quellen dieses Gases sind Methanaustritte am Meeresgrund, wie beispielswiese jüngst vor Helgoland entdeckt, aber auch auftauenderPermafrost und Gashydrate. Hinzu kommen jedoch auch viele menschengemachte Quellen wie Lecks an Fracking-Standorten oder sogar katastrophale Förderunfälle wie 2010 bei der Deepwater Horizon.

Angebohrt und ignoriert

Jetzt zeigt sich, dass selbst verlassene Bohrlöcher viel mehr Methangas freisetzen können als bisher angenommen. Entdeckt haben dies Lisa Vielstädte vom GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und ihre Kollegen bei mehreren Expeditionen zu Öl- und Gaslagerstätten in der zentralen Nordsee. Rund um aufgegebene Bohrlöcher stießen sie auf aufsteigende Gasbläschen und registrierten auch bei Messungen stark erhöhte Methangehalte im Wasser.

Wie die Forscher ermittelten, stammt das Gas aus flachen Gastaschen, die weniger als 1.000 Meter unter dem Meeresboden liegen. Diese Gastaschen werden auf dem Weg zu tiefer liegenden Reservoire von den Bohrungen oft einfach durchstoßen. „Diese Gastaschen sind meistens auch keine Gefahr für die Bohrungen an sich“, erklärt Matthias Haeckel vom GEOMAR. Daher wurden sie bisher im wahrsten Sinne des Wortes links liegengelassen und weitgehend ignoriert.

Tausende Lecks allein in der Nordsee

Doch es gibt eine bisher unerkannte Nebenwirkung: „Offenbar sorgt die Störung des Untergrundes dafür, dass rund um das Bohrloch Gas zum Meeresboden aufsteigen kann“, berichtet Haeckel. Durch Risse im Untergrund und entlang des Bohrlochs entweicht das Methan aus den Gastaschen und gelangt so in den Ozean.

Methangasaustritt in der Nähe eines Bohrlochs © ROV KIEL6000/ GEOMAR

Nach Schätzungen der Forscher könnten rund ein Drittel der rund 11.000 Bohrlöcher der Nordsee solche Gastaschen angebohrt haben – entsprechend viel Methan tritt aus. Hochrechnungen ergaben, dass entlang der Nordsee- Bohrlöcher zwischen 3.000 und 17.000 Tonnen Methan pro Jahr aus dem Meeresboden austreten.

„Das wäre ein signifikanter Anteil am gesamten Methanbudget der Nordsee“, betont Haeckel. Die vermeintlich inaktiven, verlassenen Bohrlöcher könnte damit sogar einen Hauptanteil am gesamten Methanausstoß der Nordsee ausmachen.

Methan gelangt bis in die Atmosphäre

Das Problem dabei: In tieferen Ozeangebieten zehren Bakterien das aus dem Meeresgrund dringende Methan meist auf, bevor es bis an die Wasseroberfläche aufsteigen kann. Dadurch gelangt das Treibhausgas nicht in die Atmosphäre und kann auch keine Klimawirkung entfalten. Anders in der Nordsee: Sie ist in vielen Bereichen relativ flach.

Wie die Wissenschaftler feststellten, liegt etwa die Hälfte der Bohrlöcher in der Nordsee in so geringen Wassertiefen, dass das am Meeresboden austretende Methan die Wasseroberfläche erreichen kann. Etwa 42 Prozent des Methans aus den Bohrlöchern könnte demnach in die Atmosphäre gelangen.

„Wenn Bohrungen nach Gas global zu so großen Methanemissionen in die Atmosphäre führen, müssen wir das Treibhausbudget von Erdgas neu überdenken“, resümiert Haeckel. Bisher überwachen Gaskonzerne zwar die aktiven Bohrlöcher und reparieren Lecks und Gasaustritte relativ schnell. Stillgelegte Förderstandorte galten jedoch bisher als dicht und inaktiv, so dass sie derzeit weder von Betreibern noch Regulatoren überwacht wurden. (Environmental Science & Technology, 2017; doi: 10.1021/acs.est.7b02732)

(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 29.08.2017 – NPO)

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