Missetäter im Darm: Bestimmte Bestandteile der Darmflora können als Auslöser der Multiplen Sklerose agieren. Eine Zwillingsstudie zeigt: Bei gleicher genetischer Vorbelastung sind es subtile Unterschiede in der Zusammensetzung des Mikrobioms, die offenbar zwischen Gesundheit und Krankheit entscheiden. Wurden Mäuse mit Darmfloraproben der MS-kranken Geschwister geimpft, erkrankten sie zu fast hundert Prozent.
Über zwei Millionen Menschen weltweit leiden an Multipler Sklerose – der häufigsten entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems. Vor allem junge Erwachsene sind von dieser Autoimmunerkrankung des Hirns und Rückenmarks betroffen, bei der das Immunsystem die Myelinhülle der Nerven angreift und Entzündungsherde im Gehirn auslöst. Als Folge sterben Nervenzellen ab und Reize werden nicht mehr korrekt weitergegeben.
Ist die Erkrankung einmal ausgebrochen, verläuft sie oft in Schüben. Welche biologischen Prozesse zu einem Ausbruch der Krankheit führen, darüber ist jedoch nur wenig bekannt. Mediziner vermuten unter anderem, dass die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke, bestimmte Gerinnungsfaktoren im Blut sowie genetische Mutationen eine Rolle spielen. Auch die Darmflora steht schon länger als möglicher Auslöser in Verdacht.

Gleiche Gene, andere Darmflora
So wiesen Wissenschaftler vor einigen Jahren nach, dass – bei entsprechender genetischer Veranlagung – Mikroorganismen im Darm von Mäusen T-Zellen aktivieren können, die den Körper angreifen: Betroffene Tiere entwickelten eine der menschlichen MS-Erkrankung ähnliche Entzündung im Gehirn. Solche potentiell autoaggressiven Immunzellen hat jeder Mensch, doch diese befinden sich in der Regel lebenslang im „Schlafzustand“. Der Tierversuch legt aber nahe, dass das pathogene Potenzial dieser Zellen durch bestimmte Darmbakterien geweckt werden kann.