Medizin

Asthma: Arznei aus dem Gartencenter?

Wirkstoff aus der Korallenbeere löst die Verkrampfung der Bronchien

Die Blätter der Korallenbeere (Ardisia crenata) enthalten einen Naturstoff, der die Verengung der Bronchien bei Asthma verhindert - zumindest bei Mäusen. © Dick Culbert/ CC-by-sa 2.0 us

Zierpflanze als Wirkstofflieferant: Die wegen ihrer roten Beeren beliebte Korallenbeere könnte ein wirksames Asthmamittel enthalten. Denn ein Inhaltsstoff ihrer Blätter wirkt erstaunlich effektiv gegen die Verkrampfung der Bronchien bei einem Asthmaanfall, wie Versuche mit Mäusen und menschlichen Bronchienzellen belegen. Die Substanz hat zudem deutlich weniger Nebenwirkungen als herkömmliche Medikamente, wie die Forscher berichten.

Asthma ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen bei Kindern – und die Häufigkeit nimmt zu. Denn neben einer genetischen Veranlagung spielen Umweltfaktoren wie Autoabgase, die Ernährung, der fehlende Kontakt mit bestimmten Bakterien und vorgeburtliche Einflüsse eine Rolle. Betroffenen reagieren auf bestimmte Auslöser – Allergene, Infekte oder chemische Reize – mit einer akuten Verkrampfung und Verengung der Bronchien. Die resultierende Atemnot kann lebensbedrohlich sein.

Wirkstoff aus der Zierpflanze

Bisher wird ein akuter Asthmaanfall mit bronchialerweiternden Medikamenten wie Salbutamol und Kortikosteroiden behandelt. Doch diese Wirkstoffe haben gerade in höherer Dosis oft Nebenwirkungen, beispielsweise auf das Herz-Kreislaufsystem. Jetzt könnten Daniela Wenzel und ihre Kollegen von der Universität Bonn ein pflanzliches Mittel entdeckt haben, das ähnlich wirkt, aber schonender ist.

Lieferant für das neue Pflanzenmittel ist die Korallenbeere (Ardisia crenata), eine ursprünglich aus Asien stammende Zierpflanze. Sie bildet im Winter auffallend rote Beeren und ist daher als Winterschmuck beliebt. Doch für die Pharmazeuten spannender sind die Blätter der Pflanze. Denn sie enthalten eine Substanz mit der kryptischen Bezeichnung FR900359.

Wirkt besser als Standard-Medikament

Als Wenzel und ihre Kollegen diesen Wirkstoff isolierten und untersuchten, stellten sie fest, dass er auf eine Schlüsselkomponente wichtiger Körperprozesse wirkt: „Die Substanz hemmt eine zentrale Gruppe von Signalmolekülen in den Körperzellen, die Gq-Proteine“, erklärt Wenzel. Diese Proteine sind auch Teil der Signalkette, die zur Verkrampfung der Bronchial-Muskulatur bei Asthma führt.

Könnte dieser Pflanzenstoff gegen akute Asthmaanfälle helfen? Um das zu testen, verabreichten die Forscher das R900359 asthmakranken Mäusen – mit Erfolg: „Wir konnten verhindern, dass die Tiere auf Allergene wie Hausstaub mit einer Verengung der Bronchien reagieren“, berichtet Wenzel. Der neuartige Wirkstoff löste den Spasmus der Bronchien – und das offenbar effektiver und langfristiger als das gängige Asthmamedikament Salbutamol.

Bronchien einer Maus im Querschnitt. Bei diesen Tieren wirkte der Naturstoff sogar besser als gängige Medikamente. © Raphael Reher/ Daniela Wenzel/ Uni Bonn

Ansatz an einem Knotenpunkt

Die Forscher vermuten, dass diese überraschend gute Wirkung an der Ansatzstelle des Korallenbeeren-Stoffs liegt: Viele Asthmamittel hemmen nur Teile der Reaktionskaskade, die letztlich zur Verengung der Atemwege bei Asthma führt. Deshalb wirken sie bei schwere Anfällen oft nur teilweise. Die Gq-Proteine jedoch liegen an einen Knotenpunkt der verschiedenen Signalketten. „Wenn wir die Aktivierung der Gq-Proteine mit FR900359 hemmen, erzielen wir daher einen weit stärkeren Effekt“, sagt Wenzels Kollegin Michaela Matthey.

Sollte sich dies in weiteren Versuchen bestätigen, könnte der Naturstoff zu einem neuen Asthmamittel werden. Nachschub für dieses Mittel gäbe es genug, denn die Korallenbeere gibt es in jedem gut sortieren Gartencenter. Das Interessante ist, dass die Korallenbeere bereits im 16. Jahrhundert in einem berühmten chinesischen Kräuterbuch als hilfreich gegen Halsbeschwerden beschrieben wird.

Wirkt auch bei menschlichen Bronchienzellen

Noch muss aber erst ermittelt werden, ob FR900359 auch beim Menschen genauso gut und sicher wirkt. Immerhin haben die Wissenschaftler bereits festgestellt, dass menschliche Bronchialmuskelzellen in der Kulturschale sowie isolierte menschliche Atemwege ähnlich vielversprechend reagieren wie die Mäuse.

Und auch Nebenwirkungen gab es kaum, weil der Wirkstoff nur in geringen Mengen in den Blutkreislauf gelangte. Doch für die Anwendung am Menschen sind noch weitere Testreihen nötig, die sich über Jahre hinziehen können, wie die Wissenschaftler betonen. (Science Translational Medicine, 2017; doi: 10.1126/scitranslmed.aag2288)

(Universität Bonn, 15.09.2017 – NPO)

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