Einblick in eine kosmische Fabrik: Der erste Nachweis einer Neutronenstern-Kollision durch Gravitationswellen und Strahlung ist nicht nur ein Meilenstein der Astronomie – er eröffnet uns auch ganz neue Einblicke darin, wie Gold, Platin und andere schwere Elemente entstehen. Denn nur die kataklysmische Verschmelzung von Neutronensternen schafft dafür die geeigneten die Bedingungen. Allein die jetzt beobachtete Neutronenstern-Verschmelzung könnte 200 Erdmassen an Gold und 500 Erdmassen an Platin freigesetzt haben.
Nach dem Urknall gab es im Kosmos nur die leichtesten Elemente: Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium. Erst als die ersten Sterne entstanden, bildeten sich in ihrem Inneren durch die Kernfusion auch schwerere Elemente wie Sauerstoff, Kohlenstoff oder Eisen. Als diese Sterne in Supernovae explodierten, wurden diese Elemente frei.
Rätsel der schweren Elemente
Doch eine Frage blieb offen: Woher stammen die Elemente, die schwerer sind als Eisen? Damit sie entstehen, ist mehr als nur die stellare Kernfusion nötig. Die Atome müssen direkt mit Neutronen bombardiert werden, um so allmählich zu immer schwereren Kernen heranzuwachsen. Wo und wann jedoch dieses Wachstum im Kosmos stattfand, war lange eines der größten Rätsel der Astrophysik.
Einer der Kandidaten für die Rolle als Elementfabrik war schon länger die Kollision von Neutronensternen – den extrem dichten Resten toter Sterne. Bei diesem kataklysmischen Ereignis wird die Materie extrem aufgeheizt und ins All hinausgeschleudert. Dabei kollidieren die beschleunigten Neutronen mit Atomkernen und bilden zunächst instabile schwere Partikel, die dann durch radioaktiven Zerfall zu stabileren schweren Atomen zerfallen – darunter Gold, Silber oder Platin.
Eine strahlende „Kilonova“
Dieser Elementbildungs-Prozess müsste sich, so die Theorie, durch eine charakteristische Abfolge und Zusammensetzung der elektromagnetischen Strahlung verraten. „Während sich diese Trümmerwolke im All ausbreitet, macht der Zerfall der radioaktiven Elemente sie heiß und bringt sie zum Glühen“, erklärt Brian Metzger von der Columbia University.
Metzger und seine Kollegen haben ausgerechnet, dass die dabei im optischen und infraroten Bereich ausgesendete Strahlung rund tausendmal heller sein müsste als bei normalen Nova-Explosionen, aber weniger hell als bei einer Supernova. Eine solche Verschmelzung von Neutronensternen müsste sich daher optisch als sogenannte „Kilonova“ aufspüren lassen – theoretisch. Doch der Beweis stand noch aus, denn noch nie hatte jemand eine Neutronenstern-Kollision gesehen.
Erst Silber, dann Platin, Uran und Gold
Das hat sich jetzt geändert. Durch das mittels Gravitationswellen und Dutzende Teleskope weltweit registrierte Ereignis GW170817 am 17. August 2017 haben die Astronomen erstmals eine dieser kosmischen Fabriken der schwersten Elemente aufgespürt. „Die vielleicht größte Überraschung dabei war, wie gut die optischen Signale dieser Neutronenstern-Kollision mit unseren theoretischen Erwartungen übereinstimmten“, sagt Metzger.
Wie vorhergesagt, entsprach die von der Kollision ausgesendete Strahlung der einer Kilonova. Zunächst war das Licht dabei eher kurzwellig und bläulich. Den Modellen nach stammt dieses Licht von den äußeren Bereichen der Trümmerwolke, der Region, in der leichtere Edelmetalle wie Silber entstehen. Einige Tage später verschob sich das Lichtspektrum der Kilonova in den roten Bereich. Wie die Astronomen erklären, wird diese Strahlung von radioaktiven Zerfällen im Inneren der Trümmerwolke erzeugt, den Zerfällen, durch die die schwersten Elemente wie Platin, Uran oder Gold entstehen.
200 Erdmassen an Gold
Weil die Verschmelzung der Neutronensterne von so vielen verschiedenen Teleskopen und in allen Wellenlängen beobachtet wurde, konnten die Astronomen sogar ermitteln, wie viele schwere Elemente bei diesem kataklysmischen Ereignis entstanden sind. Sie schätzen, dass ein Äquivalent von rund sechs Prozent der Masse unserer Sonne an schweren Elementen produziert wurden.
Allein an Gold erzeugte die Neutronenstern-Kollision wahrscheinlich genug, um 200 komplett aus Gold bestehende Erden zu produzieren, wie die Forscher berichten. Gleichzeitig entstanden rund 500 Erdmassen an Platin und dazu weitere schwere Elemente.
„Heiliger Gral der Astronomie“
„Die Gravitationswellen verraten uns die Bewegungen und Massen der beteiligten Neutronensterne und die Strahlung enthüllt die astrophysikalische Seite des Ereignisses – was bei der Kollision geschah und wie viele schwere Elemente produziert wurden“, erklärt Marcelle Soares-Santos vom Fermi National Accelerator Laboratory. „Deshalb ist der Nachweis von Licht und Gravitationswellen aus einer Quelle einer der heiligen Grale der heuten Astronomie.“
(University of California Berkeley, National Optical Astronomy Observatory, 17.10.2017 – NPO)