Ägyptischer Feldzug als Datierungshelfer
Doch wann fanden die in der Bibel geschilderten Ereignisse statt? Um das herauszufinden, suchten die Forscher in ägyptischen Quellen nach Hinweisen – und wurden fündig. Auf der sogenannten Merenptah-Stele in Karnak, einem Text aus der Regierungszeit von Merenptah, des Sohnes von Ramses II., wird von einem Feldzug der Ägypter in Kanaan berichtet.

Die Hieroglyphen auf der Merenptah-Stele berichten von einem Sieg Ägyptens in Kanaan – über ein Volk namens Israel. © Webscribe/ CC-by-sa 3.0
Weil auch ein Volk namens „Israel“ auf der Stele erwähnt wird, könnte es sich nach Ansicht einiger Historiker um den Krieg handeln, der auch in der Bibel erwähnt wird. Sollte dies stimmen, dann müssten sich die im Buch Josua geschilderten Ereignisse etwa um 1200 vor Christus abgespielt haben – und damit auch die mögliche Sonnenfinsternis.
Ringförmige Eklipse über Kanaan
Aber gab es zu dieser Zeit im Nahen Osten überhaupt eine Sonnenfinsternis? Frühere Untersuchungen waren dazu nicht fündig geworden. Doch wie Humphreys und seine Kollegen feststellten, hatten diese Studien nur totale Sonnenfinsternisse berücksichtigt, annulare Finsternisse aber nicht mit einbezogen. Bei diesen ist der Mond gerade an einem erdfernen Punkt und erscheint daher nicht groß genug, um die Sonne komplett zu verdecken. Ein leuchtender Ring bleibt daher sichtbar.
Und tatsächlich: Astronomische Berechnungen ergaben, dass es in der fraglichen Zeit eine annulare Sonnenfinsternis gab, deren Sichtbarkeitspfad direkt über dem alten Kanaan verlief. „Die einzige annuläre Eklipse zwischen 1500 und 1050 vor Christus ereignete sich am Nachmittag des 30 Oktober 1207 vor Christus“, berichten die Forscher. „Für die Israeliten muss dieses Ereignis wie eine doppelte Abenddämmerung gewirkt haben.“
Doppelte Dämmerung
Die Verdunkelung der Sonne ließ es an diesem Tag bereits gegen 16:00 Uhr um das zehnfache dunkler werden als normal, wie die Astronomen berichten. Nachdem der Mond wieder einen Teil der Sonne freigab, hellte sich der Himmel dann kurzzeitig wieder auf, nur um dann gegen 17:30 Uhr zur Zeit der normalen Abenddämmerung wieder dunkel zu werden.
Tatsächlich findet sich ein Bezug auf diese ungewöhnlichen Ereignisse auch im biblischen Text, wie die Forscher erklären. Dort heißt es: “ Die Sonne blieb mitten am Himmel stehen und beeilte sich nicht, unterzugehen, ungefähr einen ganzen Tag lang.“ Den verwunderten Israeliten könnte diese doppelte Dämmerung demnach wie ein Sprung im normalen Ablauf oder ein beschleunigter eigener Tag erschienen sein.

Der sichelförmige Sonnenrest vor und nach der vollen Bedeckung der Sonne könnte den Israeliten wie ein Mond zur falschen Zeit erschienen sein. © Thephatphilmz/ CC-by.sa 3.0
Und noch etwas könnte nach Ansicht von Humphreys zur biblischen Beschreibung passen: Kurz vor und nach der vollen Bedeckung der Sonne erscheint diese wie eine schmale Sichel – und damit wie ein völlig zur falschen Zeit und in der falschen Phase leuchtender Mond. Auch dies passe zur Beschreibung von Sonne und Mond, die ihr normales Verhalten änderten. Denn während einer Sonnenfinsternis ist normalerweise Neumond und der Erdtrabant damit am Himmel nicht sichtbar.
Älteste bekannte Sonnenfinsternis-Erwähnung
„Wenn unsere Theorie akzeptiert wird, dann könnte es sich hier um die älteste bekannte Aufzeichnung einer Sonnenfinsternis handeln“, konstatieren Humphreys und seine Kollegen. Gleichzeitig könnte die Eklipse dazu beitragen, auch die Regierungszeiten von Ramses II. und seinem Sohn Merenptah präziser einzugrenzen als bisher.
„Wenn man diese Erkenntnisse mit ägptischen Aufzeichnungen kombiniert, dann ermöglicht uns dies, die Regierungszeit von Ramses dem Großen als 1276 bis 1210 vor Christus zu bestimmen – und dies bis auf ein Jahr genau“, berichten die Forscher. (Astronomy & Geophysics, 2017; doi: 10.1093/astrogeo/atx178)
(University of Cambridge, 02.11.2017 – NPO)
2. November 2017