
Die Hells Bells sind bis zu zwei Meter lang - und damit die größten bekannten Unterwasser-Tropfsteine überhaupt. © E.A.N./ IPA/INAH/MUDE/ UNAM/Heidelberg
Unter Wasser gewachsen
Ungewöhnlich auch: Die Hells Bells-Tropfsteine liegen 29 bis 35 Meter unter dem Wasserspiegel der Cenote. „Die Frage war daher, ob diese Kalzitstrukturen alt sind und aus einer Zeit stammen, in der die Höhle bis in diese Tiefen hinab trocken war“, erklären Stinnesbeck und seine Kollegen. „Oder ob sie zu den seltenen Speleothermen gehören, die unter Wasser wachsen und die bisher nur von sehr wenigen Fundstellen dokumentiert sind.“
Um das zu klären, haben die Forscher Proben zweier Tropfsteine geborgen und ihr Alter mittels Uran-Thorium-Datierung bestimmt. Das Ergebnis: Die Hells Bells sind geologisch gesehen noch sehr jung, wahrscheinlich entstanden sie innerhalb der letzten 4.500 Jahre, wie die Datierungen ergaben. „Damit sind zumindest die von uns datierten Exemplare eindeutig in einer Zeit gewachsen, als die Höhle bereits lange unter Wasser lag und der Wasserspiegel etwa dem heutigen entsprach“, berichten die Wissenschaftler.
Günstige Wasserchemie
Doch wie ist ein Tropfstein-Wachstum unter Wasser überhaupt möglich? Hinweise darauf lieferten Analysen von Wasserproben aus der Cenote. Denn sie enthüllten, dass das Wasser in der Höhle stark geschichtet ist: Über einer tieferen Schicht aus sulfidhaltigem Salzwasser liegt eine bis in knapp 30 Meter Tiefe reichende Süßwasserschicht – und genau in dieser sind die Hells Bells-Tropfsteine offenbar gewachsen.
Die Forscher vermuten, dass die speziellen chemischen und physikalischen Bedingungen nahe der Halokline – der Grenzschicht zwischen Salz- und Süßwasser das Wachstum der „Höllenglocken“ ermöglicht haben. Demnach steigt aus der Salzwasserzone gelöstes Kalzium auf und führt zu einer Übersättigung des darüberliegenden Süßwassers. Kombiniert mit den wechselnd sauerstoffarmen und sauerstoffreichen Schichtungen ermöglicht es dies den Tropfsteinen, dort zu wachsen.

Ein günstige Kombination von chemisch-physikalischen Bedingungen und Mikrobentätigkeit ermöglichte die Bildung der Hells Bells. © E.A.N./ IPA/INAH/MUDE/ UNAM/Heidelberg
Hilfe von Mikroben
Zusätzlich jedoch könnten noch andere, lebende Akteure am Wachstum der „Höllenglocken“ beteiligt sein. Denn mikrobiologische Analysen ergaben, dass die Tropfsteine von einer ganz speziellen Gemeinschaft von Bakterien besiedelt sind. Zu diesen gehören auffällig viele Mikroben, die Stickstoffverbindungen verarbeiten und dabei den pH-Wert des umgebenden Wassers erhöhen. Das wiederum begünstigt das Ausfallen des gelösten Kalzits
„Es könnte sein, dass die Verfügbarkeit von organischem Karbon und Nitrat, kombiniert mit der autotrophen Aktivität einiger Bakterien eine Mikroumgebung um die Hells Bells erzeugt, die zu einer langsamen, aber massiven Ausfällung von Kalzit führt – und letztlich zur Entstehung der Formationen“, mutmaßen die Forscher. Gestützt wird diese Annahme durch einige Ähnlichkeiten der Unterwasser-Tropfsteine mit Stromatolithen – kissenförmigen, geschichteten Gesteinsgebilden, die ebenfalls durch die Mithilfe von Mikroben entstehen.
Rätsel bleiben
Noch sind die Entstehungsdetails der faszinierenden Kalzitformationen in der mexikanischen Unterwasser-Höhle nicht geklärt. Klar ist aber schon jetzt, dass die „Höllenglocken“ ziemlich einzigartig sind: „Die Hells Bells der El Zapote-Höhle repräsentieren ein rätselhaftes Ökosystem, das die Bildung der größten bekannten Unterwasser-Speleothermen weltweit ermöglichte“, konstatieren Stinnesbeck und seine Kollegen. (Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology, 2017; doi: 10.1016/j.palaeo.2017.10.012)
(Universität Heidelberg, 27.11.2017 – NPO)
27. November 2017