Medizin

Naturstoff gegen Tuberkulose

Aus einem Pilz isolierte Substanz wirkt auch gegen multiresistente Tuberkulosebakterien

Viele Stämme des Tuberkulose-Errregers Mycobacterium tuberculosis sind bereits gegen gängige Antibtioika immun. © CDC

Heilmittel aus der Natur: In einem Pilz haben Forscher ein vielversprechendes Mittel gegen Tuberkulose entdeckt. Der Wirkstoff Chlorflavonin tötet Tuberkulose-Bakterien ab und wirkt sogar gegen multiresistente Stämme des Erregers, wie Versuche in Zellkulturen zeigten. In Kombination mit herkömmlichen Arzneimitteln könnte das Chlorflavonin künftig die Tuberkulosetherapie verbessern und beschleunigen.

Die Tuberkulose ist eine der großen Seuchen der Menschheit: Ihr Erreger befiel schon unsere afrikanischen Vorfahren und raffte in Europa zeitweilig sogar jeden Fünften dahin. Doch auch heute ist die Tuberkulose nicht besiegt: In den Entwicklungsländern sterben noch immer jährlich bis zu zwei Millionen Menschen an ihr, viele Stämme des Mycobacterium tuberculosis sind zudem bereits gegen die gängigen Antibiotika resistent.

In Pflanze versteckter Pilz

Ein mögliches neues Heilmittel gegen die Tuberkulose haben nun Forscher der Universität Düsseldorf entdeckt – durch Zufall. Eigentlich wollte Herve Sergi Akone die in der traditionellen Medizin Kameruns verwendete Arzneipflanze Moringa stenopetala näher untersuchen. Dabei entdeckte er in seinen Pflanzenproben einen endophytisch lebenden Pilz – einen Pilz, der in Pflanzengewebe wächst.

Endophytische Pilze zapfen ihrer Wirtspflanze zwar Nährstoffen ab, sie schützen ihre Wirte aber auch, beispielsweise indem sie antibakterielle oder andere schützende Substanzen bilden. Wegen dieser potenziell nützlichen Inhaltsstoffe sind diese Pilze in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Arzneimittelforscher gelangt.

Erreger abgetötet

Tatsächlich wurden die Forscher bei dem in der Arzneipflanze entdeckten Pilz Mucor irregularis fündig: Sie identifizierten eine Substanz, die eine vielversprechende antibiotische Wirkung zeigte. Das Chlorflavonin ist dabei eine für Pilze ungewöhnliche Substanz, sie tritt eher bei Pflanzen auf, wie die Wissenschaftler erklären. Versuche mit verschiedenen Bakterienkulturen ergaben, dass das Chlorflavonin spezifisch den Tuberkuloseerreger Mycobacterium tuberculosis abtöten kann.

Kultur des endophytischen Pilzes Mucor irregularis. © Linda Wiegand / HHU

Weitere Analysen enthüllten, worauf die antibiotische Wirkung der Pilzsubstanz beruht: Das Chlorflavonin hemmt die Produktion wichtiger Aminosäuren im Tuberkulosebakterium. Dadurch behindert sie den Stoffwechsel und die Vermehrung des Erregers und führt letztlich zum weitgehenden Absterben der Population.

Wirkt gegen resistente Stämme

Das Besondere dabei: Chlorflavonin wirkt auch gegen multi- und extremresistente Stämme von Mycobacterium tuberculosis – sogenannte XDR-Isolate, wie Experimente ergaben. Diese resistenten Erregerstämme werden immer mehr zum Problem, weil viele gängige Antibiotika nicht mehr gegen sie wirken. Die Tuberkulosetherapie ist dadurch heute sehr aufwändig: Über mindestens sechs Monate müssen vier unterschiedliche Medikamente eingenommen werden.

Doch gerade in ärmeren Ländern wird diese kostenintensive Behandlung oft nicht durchgehalten, weil Geld und Geduld fehlen. Das aber verhindert nicht nur die komplette Beseitigung der Tuberkulose-Erreger, es kann auch die Bildung von Resistenzen fördern. Umso wichtiger wird es deshalb, neue Wirkstoffe zu finden, die an anderen Stellen ansetzen als die alten Substanzen.

Einsatz als Kombi-Therapie möglich

Einen solchen Weg könnte das Chlorflavonin eröffnen, wie die Forscher erklären. Denn wie sie feststellten, wirkt dieses Mittel sehr gut mit einigen anderen Tuberkulosemitteln zusammen. „Gegebenenfalls kann so die Therapiezeit deutlich reduziert werden, was sich positiv auf die Kosten und die Motivation der Patienten auswirken kann“, hofft Rainer Kalscheuer von der Universität Düsseldorf.

Mithilfe von Computermodellen wollen die Forscher zudem untersuchen, wie sich das aus dem Pilz stammende Chlorflavonin optimieren lässt, damit es noch besser an die Bakterien ankoppeln und sie bekämpfen kann. „Auf der Grundlage einer Leitsubstanz kann eine ganze Bibliothek an verschiedenen Derivaten entwickelt werden, die bessere Eigenschaften in der Aufnahme, Verstoffwechselung oder Pharmakokinetik aufweisen können“, erklärt Kalscheuers Kollege Peter Proksch. (ACS Infectious Diseases, 2017; doi: 10.1021/acsinfecdis.7b00055)

(Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 30.11.2017 – NPO)

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