Astronomie

Die Durchbrüche des Jahres 2017

Magazin "Science" kürt kollidierende Neutronensterne zum Highlight des Jahres

Die erste Beobachtung einer Kollision zweier Neutronensterne ist der Durchbruch des Jahres 2017 © Robin Dienel/ Carnegie Institution for Science

Eine Neutronenstern-Kollision, eine Genschere ohne Schneide und 2,7 Milliarden Jahre altes Eis – dies sind nur einige der wissenschaftlichen Durchbrüche des Jahres 2017. Das Fachmagazin „Science“ hat wie jedes Jahr die Top Ten der Forschung gekürt. Absolutes Highlight ist dabei der erste Nachweis von Gravitationswellen, die bei der Kollision zweier Neutronensterne entstanden sind. Weil parallel auch Strahlung freiwurde, eröffnet dies der Astronomie ganz neue Möglichkeiten.

Jedes Jahr kurz vor Silvester küren die Redakteure und Herausgeber des Fachmagazins „Science“ ihre Top Ten des Jahres: Die Forschungsergebnisse und Entdeckungen, die sie für die bedeutendsten halten. Eines der zehn wählen sie dabei zum Highlight des Jahres. Im Jahr 2016 war dies der erste Nachweis von Gravitationswellen, 2015 wurde die Genschere CRISPR/Cas9 gekürt und 2014 war es die Rosetta-Mission und ihre erste Landung einer Raumsonde auf einem Kometen.

Das Highlight 2017: eine Neutronenstern-Kollision

In diesem Jahr ist erneut eine astronomische Errungenschaft das Highlight des Jahres: Gekürt wurde der erste Nachweis einer Neutronenstern-Kollision. Zum ersten Mal war es damit gelungen, Gravitationswellen aus einer anderen Quelle als Schwarzen Löchern zu detektieren. Und zum ersten Mal konnten die Astronomen dieses Ereignis nicht nur „belauschen“, sondern gleichzeitig auch die dabei erzeugte Strahlung einfangen.

„Die Beobachter detektierten nicht nur die Gravitationswellen von der Kollision der beiden Neutronensterne, sie sahen auch das Ereignis in allen Wellenlängen des Lichts – von Gammastrahlen bis in den Radiobereich“, sagt Tim Appenzeller, News-Redakteur bei „Science“. „Die Fähigkeit, das komplette Bild solcher katastrophaler Ereignisse zu erhalten, transformiert die Astrophysik und macht diese Beobachtung zum Durchbruch des Jahres 2017.“

Modernes Gesicht, flacher Hirnschädel: Schädel des 300.000 Jahre alten Homo sapiens aus Jebel Irhoud © Philipp Gunz/ MPI EVA Leipzig

Uralter Homo sapiens und neuer Menschenaffe

Unter den Top Ten der wissenschaftlichen Highlights 2017 ist die Entdeckung der mit Abstand ältesten Fossilien des Homo sapiens in Marokko. Mit einem Alter von 300.00 Jahren belegen diese Knochen, dass unsere Art deutlich älter ist als lange angenommen – und dass die Wiege der Menschheit nicht nur in Ost-oder Südafrika stand. Wenig später bestätigte eine neue Genanalyse diese Schlussfolgerungen.

Ebenfalls um unsere engste Verwandtschaft ging es bei einem weiteren Highlight: der ersten Identifizierung einer neuen Menschenaffen-Art seit 90 Jahren. Forscher haben anhand von Knochen- und Genanalysen herausgefunden, dass die im Norden Sumatras lebenden Orang-Utans nicht bloß eine isolierte Population, sondern sogar eine eigene Art sind. Damit gibt es nun sieben Menschenaffenarten auf der Erde – noch.

Genschere ohne Schneide und erfolgreiche Gentherapie

Ein weiteres Highlight mit enormen Potenzial war in diesem Jahr eine Abwandlung der Genschere CRISPR/Cas9. Forscher haben sie so modifiziert, dass sie eine falsche DNA-Base direkt in die richtige umwandeln kann – ohne dass sie Erbgutteile herausschneiden muss. Einem zweiten Forscherteam gelang es dabei, diese Reparatur auch auf die RNA anzuwenden. Dadurch entstehen korrekte Proteine, ohne dass direkte Eingriffe am Erbgut nötig sind.

Ebenfalls um Genreparatur geht es in einem weiteren Durchbruch: Mediziner haben erstmals eine der häufigsten Ursachen für den Tod von Kleinkindern geheilt – die sogenannte spinale Muskeldystrophie. Um diesen angeborenen Genfehler zu beheben, verabreichten sie zwölf Neugeborenen mit dieser Krankheit über ein Trägervirus das korrekte Gen. Elf dieser Kinder überlebten nicht nur, sondern konnten später selbstständig essen, sitzen und teilweise sogar laufen.

Im Reich der Medizin liegt auch die erste Zulassung eines Krebsmedikaments, das direkt an einem Krebsgen im Erbgut ansetzt. Seit Mai 2017 ist Pembrolizumab von der US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassen. Die „Science“-Editoren sehen darin den Beginn einer neuen Strategie gegen Tumorerkrankungen.

Kaum größer als ein Schuhkaron ist der Detektor, mit den die Physiker der COHERENT Collarboration die Streuung der Neutrinos am Atomkern nachgewiesen haben. © Jean Lachat/ University of Chicago

Neutrino-Rückstoß und das älteste Eis der Erde

Im Reich der Physik liegt ein anderer Durchbruch des Jahres 2017: Nach 43 Jahren der vergeblichen Versuche ist es Physikern im Sommer endlich gelungen, eine spezielle Wechselwirkung von Neutrinos mit Materie nachzuweisen, die sogenannte kohärente elastische Neutrino-Kern-Streuung. Dabei kollidiert ein Neutrino mit einem Atomkern und erzeugt dabei bei diesem einen winzigen Rückstoß – genau diesen haben die Forscher nun erstmals nachgewiesen. Eine Besonderheit dabei: Der dafür verwendete Neutrino-Detektor ist nur so groß wie ein Schuhkarton.

Weniger um kleinste Teilchen als um einen Blick weit zurück in die Geschichte unseres Planeten geht es bei einem der weiteren Durchbrüche des Jahres: In der Antarktis haben Forscher erstmals Eis geborgen, das bereits 2,7 Millionen Jahre alt ist. Möglich wurde dies, weil ihr Bohrkern aus einem Gebiet der Eiskappe stammt, in dem die Schichten umgekippt sind – sodass dieses bisher älteste Eis der Erde nahe an der Oberfläche lag.

Cryo-Elektronenmikroskopie und Biorxiv

„Science“ würdigt in diesem Jahr auch einen methodischen Durchbruch, der im Oktober bereits mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet worden ist: die Entwicklung der Cryo-Elektronenmikroskopie. Dieses Verfahren ermöglicht es, Biomoleküle in Aktion zu sehen und atomgenau abzubilden – und genau dies hat in diesem Jahr gleich mehrere wichtige Entdeckungen und Erkenntnisse ermöglicht, wie die „Science“-Editoren erklären.

Last but not Least kürte das Fachmagazin eine Entwicklung zum Highlight des Jahres, die die Veröffentlichungspraxis der Wissenschaft betrifft. Denn in diesem Jahr sind die Streitigkeiten zwischen Universitäten und Fachverlagen um die horrenden Preise für Fachmagazin-Abos weiter eskaliert. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich nun ein zweiter sogenannter Preprint-Server zunehmend etabliert – nach arXiv für astronomische und physikalische Publikationen beginnt nun auch bioRxiv für Veröffentlichungen in den Lebenswissenschaften zu boomen. (Science, 2017)

(Science, 22.12.2017 – NPO)

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