Kein Gefühl für Kälte: Warum frieren Hamster und Erdhörnchen nicht, wenn sie in Winterschlaf verfallen und ihre Körpertemperatur dabei erheblich sinkt? Forscher haben nun eine Antwort auf diese Frage gefunden. Demnach reagieren bestimmte Kälte-sensible Neuronen im Gehirn der Winterschläfer deutlich weniger empfindlich auf niedrige Temperaturen als bei Nicht-Winterschläfern. Als Folge wird ihr Organismus trotz Kälte nicht in Alarmbereitschaft versetzt – und die Tiere können entspannt schlummern.
Igel tun es, Hamster, Erdhörnchen und Siebenschläfer auch: Vollgefressen und in einem sicheren Versteck überbrücken all diese Tiere die kalte Jahreszeit in einem ungewöhnlichen Ruhezustand – sie halten Winterschlaf. Dabei laufen ihre gesamten Körpervorgänge auf Sparflamme. Die Körpertemperatur fällt ab, Herzschlag und Atmung sinken auf ein Minimum. Das spart Energie.
Doch wie schaffen es die Winterschläfer eigentlich, trotz der Kälte so friedlich zu schlummern? „Würden diese Tiere frieren, könnten sie keinen Winterschlaf halten. Denn ihr Sinnessystem würde dem Rest des Körpers dann zu verstehen geben, dass er sich erst aufwärmen muss“, sagt Elena Gracheva von der Yale University in New Haven.
Winterschläfer im Kältetest
Mit welcher Strategie Hamster und Co verhindern, dass ihr Organismus durch kalte Temperaturen in Alarmbereitschaft versetzt wird, haben die Wissenschaftler nun untersucht. Dafür führten sie Versuche mit typischen Winterschläfern, nämlich Erdhörnchen und Goldhamstern, sowie mit Mäusen durch – Nagern, die den Winter über wach bleiben.
Im Test konnten sich die Tiere frei zwischen zwei unterschiedlich temperierten Platten bewegen: Eine davon war konstant auf angenehme 30 Grad Celsius eingestellt, die andere wechselte ihre Temperatur regelmäßig und schwankte dabei zwischen 20 und null Grad Celsius. Auf welchem Untergrund würden sich die Nager bevorzugt aufhalten?
Warm oder kalt?
Es zeigte sich: Die Mäuse fühlten sich offenbar auf der warmen Platte am wohlsten und zogen sie konsequent der kälteren Alternative vor. Erdhörnchen und Hamster dagegen schienen keine Vorliebe für die wärmere Platte zu haben. Erst wenn die Temperatur auf der kalten Seite fünf Grad erreichte oder weiter sank, suchten die Tiere öfter auch den warmen Untergrund auf.
Winterschläfer und Nicht-Winterschläfer scheinen demnach ein unterschiedliches Temperaturempfinden zu haben. Aber woran liegt das? Weitere Experimente offenbarten, dass bestimmte auf Kälte reagierende Nervenzellen im Gehirn der Tiere der Grund sind – genauer: ein Ionenkanal in diesen Neuronen.
Unempfindlicher Kälteanzeiger
Bei bestimmten Temperaturen wird dieser Ionenkanal aktiviert und schüttet Substanzen aus, die letztendlich dazu führen, dass man friert. Bei Erdhörnchen und Hamstern reagiert dieser Kälteanzeiger jedoch deutlich weniger empfindlich als bei Mäusen. Während er bei den Mäusen mit dem Absinken der Temperatur von 30 auf zehn Grad Celsius eine zunehmend erhöhte Aktivität zeigte, änderte sich bei den Winterschläfern gar nichts.
Demnach haben Goldhamster und Erdhörnchen offenbar unabhängig voneinander die gleiche Strategie entwickelt, um Kältegefühle zu unterdrücken, wie die Forscher berichten. Dies erlaube ihnen, ihre Körpertemperatur im Winter erheblich zu drosseln, ohne dadurch Stress ausgesetzt zu sein.
Lebensraum formt Sinnessystem
Vögel haben die Möglichkeit zu flüchten, wenn es ihnen zu kalt wird – kleinere Säugetiere können dagegen nicht so einfach weite Distanzen überbrücken. Anstatt ihre Umgebung zu verändern, müssen sie ihren Körper deshalb fit für die Kälte machen: „Die von uns entdeckte Anpassung ist ein schönes Beispiel dafür, wie der Lebensraum die Entwicklung des Sinnessystems formen kann“, schließt Gracheva. (Cell Reports, 2017; doi: 10.1016/j.celrep.2017.11.083)
(Cell Press, 20.12.2017 – DAL)