Evolution

Pflanzen eroberten das Land früher

Erste Landpflanzen entstanden fast 100 Millionen Jahre früher als gedacht

Lebermoose, hier Moerckia flotoviana, gehören zu den ursprünglichsten Landpflanzen. Ihre Vorfahren könnten schon vor mehr als 500 Millionen Jahren das Land besiedelt haben. © Des Callaghan/ CC-by-sa 4.0

Meilenstein der Evolution: Die Pflanzen könnten die Landmassen der Urerde früher als gedacht besiedelt haben. Genanalysen deuten darauf hin, dass die ersten Landpflanzen schon vor rund 515 Millionen Jahren existiert haben könnten. Damit ereignete sich einer der folgenreichsten Schritte der Evolution fast 100 Millionen Jahre früher als bisher anhand von Fossilfunden angenommen, wie die Forscher berichten. Für Atmosphäre, Geochemie und Stoffkreisläufe der Erde hatte das entscheidende Auswirkungen.

Die Besiedlung des Landes durch die ersten Pflanzen war einer der folgenreichsten und wichtigsten Schritte der Evolution auf unserem Planeten. Denn mit der Entwicklung der Vegetation auf den zuvor noch kahlen Landmassen veränderten sich die geochemischen Kreisläufe, neue ökologische Nischen entstanden und in der Atmosphäre nahm der Sauerstoffgehalt zu und der Kohlendioxidgehalt ab.

Wann besiedelte die erste Pflanze das Land?

Doch wann der Landgang der Pflanzen erfolgte, war bisher unklar. Das erste eindeutig zu einer Landpflanze gehörende Fossil, Cooksonia, ist 426 Millionen Jahre alt, das älteste Fossil einer Gefäßpflanze stammt aus der Zeit vor 420 Millionen Jahren. „Weil Fossilien der ersten Landpflanzen aber so selten sind und auch die Datierung der Fundschichten oft unsicher, liefern Fossilfunde uns kein sehr verlässliches Bild“, erklären Jennifer Morris von der University of Bristol und ihre Kollegen.

Hinzu kommt: Bisher ist strittig, wie die vier Hauptgruppen der Landpflanzen, die Moose, Hornblattgewächse, Lebermoose und Gefäßpflanzen, im Stammbaum zusammenhängen. „Wir wollten daher einen Zeitablauf der frühen Landpflanzenevolution rekonstruieren, der diese umstrittenen Beziehungen integriert“, so Morris und ihre Kollegen.

Die 426 MIllionen Jahre alte Cooksonia pertoni ist das bisher älteste Fossil einer Landpflanze. © Diane Edwards

Dafür analysierten und verglichen die Forscher bestimmte Mutationen im Erbgut der Landpflanzen. Wie eine molekulare Uhr erlaubt es der Vergleich solcher Genmutationen, die Entwicklung und Auftrennung von Arten und Organismengruppen zeitlich einzuordnen und zu datieren.

Landgang schon vor 515 Millionen Jahren

Das Ergebnis: „Unsere Resultate zeigen, dass der Vorfahre aller Landpflanzen schon im mittleren Kambrium existierte“, berichtet Morris‘ Kollege Mark Puttick. Demnach könnten schon vor 515 Millionen Jahren die ersten Pflanzen auf dem Land gewachsen sein. Die ersten Gefäßpflanzen folgten den Gendaten zufolge nur wenig später: Sie entwickelten sich vor rund 470 Millionen Jahren und damit im frühen Ordovizium.

„Unsere Daten zeigen damit, dass das Alter der Fossilfunde den Entwicklungsbeginn der ersten Landpflanzen unterschätzen“, sagt Morris. Die ersten Vertreter dieser so bedeutungsvollen Pflanzengruppe seien bereits mindestens 40 Millionen Jahre früher entstanden als bisher angenommen -wahrscheinlich sogar fast 100 Millionen Jahre früher. „Die alten Modelle müssen demnach überarbeitet werden“, so Morris.

Dieser fossile Pflanzenstengel stammt aus der Zeit vor rund 400 Millionen Jahren. © Natural History Museum, London

Explosionsartige Entwicklung

Die Analyse der „molekularen Uhr“ ergab, dass diese Datierung auch bei Annahme jeweils verschiedener Verwandtschaftsverhältnisse der Landpflanzengruppen untereinander bestehen bleibt. Zudem belegen die Gendaten, dass sich die ersten Landpflanzen bereits kurze Zeit nach ihrem ersten Landgang explosionsartig entwickelten. Bereits im frühen Silur vor rund 440 Millionen Jahren existierten demnach die vier Hauptgruppen der Landpflanzen.

Diese „Urväter“ der vier Gruppen besaßen bereits die Schlüsselmerkmale, die die Landpflanzen zu einer so erfolgreichen Organismengruppe machen sollten. „Sie hatten bereits einen Embryo entwickelt, luftverbreitete Sporen, eine Kutikula und Spaltöffnungen sowie die biochemischen Wechselwirkungen, durch die sie Nährstoffe und Mineralien aus dem Boden gewinnen konnten“, berichten Morris und ihre Kollegen.

Forscher gehen davon aus, dass sich zumindest einige dieser entscheidenden Merkmale bereits bei den noch wasserlebenden Vorfahren der ersten Landpflanzen entwickelt hatten, darunter die Fähigkeit zur engen Symbiose mit Pilzen. Auch die Aufnahme von DNA von Bakterien und anderen Organismen könnten die schnelle Anpassung der Pflanzen an die neue Umgebung gefördert haben. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2018; doi: 10.1073/pnas.1719588115)

(University of Bristol, 20.02.2018 – NPO)

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