Urzeit-Katastrophe im Mittelmeer: Ein bisher kaum bekannter tektonischer Prozess könnte zum Trockenfallen des Mittelmeers vor sechs Millionen Jahren beigetragen haben. Denn damals kam es unter der Meerenge von Gibraltar zu einer seitlichen Verschiebung und Stauchung eines untergetauchten Plattenstücks, wie Forscher herausgefunden haben. Dieses sogenannte „Slab Dragging“ führte zu einer Hebung des Meeresbodens und dies schnitt das Mittelmeer vom Wassernachschub aus dem Atlantik ab.
Vor rund sechs Millionen Jahren erlebte das Mittelmeer eine dramatische Veränderung: Der Untergrund unter der Meerenge von Gibraltar hebt sich und schneidet dem Binnenmeer die Wasserzufuhr ab. Als Folge dieser messinischen Salinitätskrise wird das Mittelmeer zunächst immer salziger und trocknet dann völlig aus. Erst mehrere hunderttausend Jahre später endet diese Krise in einer gewaltigen Katastrophe: Der Gibraltar-Damm bricht und enorme Flutwellen ergießen sich in die Senke.
Rätsel um Barriere-Hebung
Doch was löste damals die Hebung der Gibraltar-Barriere und die damit verbundene Verdickung der Erdkruste vor Marokko aus? Diese Frage ist bis heute nicht eindeutig beantwortet. Zwar lässt sich ein Teil dieses Prozesses durch die stetige Nordwest-Drift des afrikanischen Kontinents und die Südost-Bewegung der Iberischen Halbinsel erklären – aber nicht alles:
„Es gibt bisher keine integrale Erklärung für die wichtigen tektonischen Merkmale, die die Rift-Gibraltar-Betic-Region (RGB) ausmachen“, konstatieren Wim Spakman von der Universität Utrecht und seine Kollegen. Sie vermuten, dass ein bisher kaum untersuchter und kaum beobachteter tektonischer Vorgang hinter diesen Vorgängen an der Gibraltar-Meerenge stecken könnte.
Seitlich mitgeschleift und gestaucht
Ihr Verdacht: Das sogenannte Slab-Dragging könnte schuld sein. Bei diesem tektonischen Prozess bewegt sich die an einer Subduktionszone untergetauchte Erdplatte nicht nur vorwärts, auf die Plattengrenze zu. Sie wird auch seitwärts durch den Erdmantel gezogen. Wie stark diese Schwerbewegung ausfällt, hängt dabei von der Plattenbewegung und vom Widerstand des Mantelmaterials an dieser Stelle ab.
„Eine einfache Analogie dazu ist die Bewegung einer Hand, die von der Bewegung des Arms mitgezogen, passiv durch das Wasser streicht“, erklären die Forscher. Der Arm entspricht dabei der Plattenbewegung, die Hand dem mitgezogenen, manchmal seitlich abdriftenden Plattenstück. Ob ein solches Slab-Dragging auch bei der urzeitlichen Barrierebildung von Gibraltar eine Rolle gespielt haben könnte, haben sie nun anhand seismischer Messungen und Modellsimulationen untersucht.
Ein Plattenstück liegt quer
Das Ergebnis: Den Modellen nach könnte war ein Slab-Dragging damals nicht nur möglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich. Wie die Forscher erklären, lag an der Meerenge von Gibraltar ein untergetauchtes Plattenstück fast quer zwischen den Kontinentalplatten von Afrika und Europa. Dieses RGB-Plattenstück wurde durch die stete Nordwanderung der Afrikanischen Platte seitlich verschoben und dabei gestaucht.
„Diese Bewegung führte zu einer starken Hebung und einer Stauchung um zehn bis 20 Kilometer – was für den Verschluss der marokkanischen Meeresverbindung ausreichte“, erklären die Forscher. Entscheidende Triebkraft dieses Prozesses war dabei die Nordwanderung der Afrikanischen Platte. Sie schob das an ihr quer festhängende Plattenstück vor sich her und drückte es förmlich in die Meerenge von Gibraltar hinein, wie Spakman und seine Kollegen berichten.
Vielfach übersehen
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte ein solcher Querversatz auch an noch weiteren Subduktionszonen auftreten oder aufgetreten sein. „Weil die Richtung dieser Bewegung unabhängig von sichtbaren Verwerfungen oder der Bewegung der gesamten Platten sein kann, könnte dieser Prozess vielfach übersehen worden sein“, so die Forscher. (Nature Geoscience, 2018; doi: 10.1038/s41561-018-0066-z)
(Nature, 20.02.2018 – NPO)