Geowissen

Steckt das fehlende Xenon im Erdkern?

Unter Hochdruck und Hitze reagiert das bindungsscheue Edelgas mit Eisen und Nickel

Könnte das in der Atmosphäre fehlende Xenon im Erdkern gebunden sein? © Gerhardus Swanepoel/ iStock.com

Rätsel ums Edelgas: Seit Jahren rätseln Forscher, warum die Erdatmosphäre viel weniger Xenon enthält als erwartet. Jetzt könnten sie eine Antwort gefunden haben: Das fehlende Edelgas versteckt sich möglicherweise im Erdinneren. Denn wie Experimente nun belegen, bildet das bindungsscheue Xenon bei extremer Hitze und hohem Druck mit dem Eisen und Nickel des Erdkerns Moleküle. Das normalerweise flüchtige Gas könnte dadurch seit der Frühzeit der Erde im Kern gebunden sein – und fehlt so an der Oberfläche.

Was Xenon angeht, ist die Erde ein echter Sonderling. Denn im Vergleich zur Sonne, dem Mondstaub und vielen Meteoriten enthält ihre Atmosphäre viel zu wenig von diesem Edelgas. Xenon kommt nur in Spuren in unserer Gashülle vor und ist eines der seltensten stabilen Elemente überhaupt. Gleichzeitig herrscht an anderen Edelgasen wie Argon und Krypton kein Mangel. Schon seit Jahrzehnten suchen Forscher nach Erklärungen für diese rätselhafte „Xenon-Lücke“.

Jetzt könnten Elissaios Stavrou vom Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) und seine Kollegen das Rätsel gelöst haben. Ihr Verdacht: Möglicherweise steckt das fehlende Xenon tief im Inneren der Erde. Normalerweise wäre dies unwahrscheinlich, weil Xenon leicht flüchtig ist und relativ schnell wieder aus dem Gestein entweichen müsste. Doch Laborversuche zeigen, dass das normalerweise bindungsscheue Xenon unter extremen Bedingungen sehr wohl zu chemischen Bindungen gezwungen werden kann.

Gebunden im Erdkern?

Das kann in Anwesenheit spezieller Partner, aber auch bei starker Bestrahlung oder hohem Druck der Fall sein. „Wenn das Xenon extremem Druck ausgesetzt wird, ändern sich seine chemischen Eigenschaften und das ermöglicht es dem Edelgas, Verbindungen mit anderen Elementen zu bilden“, erklärt Koautor Sergey Lobanov von der Carnegie Institution of Washington. Könnte genau dies im Inneren der frühen Erde geschehen sein?

Um das herauszufinden, setzten die Forscher Xenon den Bedingungen aus, die im Erdkern herrschen. Sie mischten dafür Xenon mit Nickel und Eisen und setzten alle Komponenten in einer Diamant-Stempelzelle unter einen Druck von mehreren Millionen Atmosphären und mehr als tausend Grad. Mit speziellen Spektroskopen beobachteten sie, ob und welche Bindungen Xenon dabei möglicherweise einging.

Veränderungen der elektromagnetischen Eigenschaften von Xenon, Eisen und Nickel unter extrem hohem Druck © Stavrou et al

Reaktion mit Nickel und Eisen

Und tatsächlich: Bei einem Druck von 150 Gigapascal – 1,5 Millionen Atmosphären und einer Temperatur von 1.200 Grad Celsius entstand die Verbindung XeNi3. Bei dem noch höheren Druck von zwei Millionen Atmosphären und 1.700 Grad reagierte das Edelgas auch mit dem Eisen und bildete XeFe3. „Überraschenderweise werden Nickel und Eisen in beiden Verbindungen hochgradig elektronegativ und agieren damit als Oxidantien“, so die Forscher.

„Unsere Studie liefert damit den ersten experimentellen Beweis, dass es Verbindungen aus Eisen und Xenon unter den Bedingungen des Erdkerns gibt – Moleküle, die zuvor nur theoretisch postuliert worden sind“, konstatieren Stavrou und seine Kollegen. Der Erdkern könnte demnach durchaus Xenon in dieser gebundenen Form enthalten – und das könnte erklären, wo das in der Atmosphäre fehlende Xenon steckt.

Im Inneren der jungen Erde gefangen

Doch wie gelangte das Xenon in den Erdkern? Die Wissenschaftler vermuten, dass dies in einem zweischrittigen Prozess ablief. Denn in der ersten Anfangszeit der Erde war der Druck im Inneren des Planeten noch nicht hoch genug, um diese Verbindungen zu bilden, wie sie erklären. Möglicherweise wurde das Edelgas daher zunächst auf andere Weise im Erdmantel gefangen und reagierte erst dann mit dem Eisen im Erdkern, als dieser sich langsam herauskristallisierte und der Druck hoch genug wurde.

Wie genau dies damals abgelaufen sein könnte, muss aber noch weiter untersucht werden, wie die Forscher einräumen. Sollte sich dies aber klären lassen, könnten die nun erstmals nachgewiesenen Eisen- und Nickelverbindungen des Edelgases das Rätsel um die „Xenon-Lücke“ lösen. (Physical Review Letters, 2018; doi: 10.1103/PhysRevLett.120.096001)

(Carnegie Institution for Science, 02.03.2018 – NPO)

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