Flechten-Vielfalt vor unserer Haustür: In den Alpen leben mehr als 3.000 unterschiedliche Flechtenarten. Das zeigt die erste Überblicksarbeit zum Vorkommen dieser faszinierenden Lebensformen entlang der größten Gebirgskette Zentraleuropas. Der Flechten-Katalog soll künftig unter anderem den Vergleich von Bergflechten-Populationen auf der ganzen Welt erleichtern, wie die Forscher berichten.
Flechten sind ein klassisches Beispiel für eine perfekte Symbiose: Pilze vereinen sich in dieser Lebensform mit einer Alge oder einem Cyanobakterium zu einem wahren Superorganismus. Dabei ergänzen sich die sehr unterschiedlichen Partner so gut, dass sie gemeinsam Fähigkeiten besitzen, die Alge oder Pilz allein nicht haben.
Auf diese Weise ist es Flechten gelungen, fast alle Winkel der Erde zu besiedeln. Selbst in so unwirtlichen Lebensräumen wie der Antarktis kommen die Organismen problemlos zurecht – wahrscheinlich könnten sie sogar auf dem Mars überleben, wie Experimente nahelegen.
Flechten-Vielfalt im Blick
Auch direkt vor unserer Haustür lebt eine unglaubliche Vielfalt dieser faszinierenden Lebensformen: in den Alpen. Wissenschaftler um Pier Nimis von der Universität in Triest haben nun zum ersten Mal einen Katalog aller der in dieser Bergregion vorkommenden Flechten veröffentlicht. Denn obwohl die Alpen zu den am besten erforschten Gebieten der Welt gehören, fehlte ein Überblick über die dort heimischen Flechten bislang.
Um das zu ändern, sammelten die Forscher über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren Daten aus acht Ländern entlang der Alpen – Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien, Liechtenstein, Monaco, Slowenien und Schweiz. Die Ergebnisse zeigen: Die Alpen werden ihrem Ruf als einem der reichsten Biodiversität-Hot-Spots Europas auch in Sachen Flechten gerecht.
Mehr als 3.000 Arten
Ganze 3.138 Flechtenarten kommen demnach in den unterschiedlichen Ökosystemen dieses Gebirges vor. Welche das sind, wie diese einzuordnen sind und wo sie vorkommen, lässt sich ab jetzt in dem Flechten-Katalog nachschlagen. Die Wissenschaftler hoffen, damit ein wertvolles Werkzeug für die künftige Forschung bereitzustellen.
So könnten dank der neuen Erkenntnisse die Flechten der Alpen künftig mit den Populationen in anderen Bergregionen der Welt verglichen werden. Herausgefunden hat das Team während seiner Untersuchung bereits, dass viele zuerst in den Alpen beschriebene Spezies später auch in anderen Teilen der Erde entdeckt wurden.
Anreiz für weitere Forschung
Auch für die Erforschung kaum bekannter und bisher womöglich falsch eingeordneter Arten soll die Studie ein Anreiz sein, wie Nimis und seine Kollegen betonen: „Unsere Arbeit hat erstaunlich viele taxonomische Probleme ans Licht gebracht, die in den kommenden Jahren weiterer Forschung bedürfen“, schließen sie. (MycoKeys, 2018; doi: 10.3897/mycokeys.31.23568)
(Pensoft Publishers, 13.03.2018 – DAL)