Paläontologie

Rätsel der „Phantom-Spur“ gelöst

Umstrittene Abdrücke von Uralt-Reptilien belegen "unmögliche" Koexistenz

Fossil eines Dicynodontiers - diese Tiergruppe überlebte in Südafrika länger als gedacht. © Christian Kammerer

Doch kein „Phantom“: Vor gut 60 Jahren in Südafrika entdeckte Fußspuren zeigten etwas vermeintlich Unmögliches: Die gemeinsamen Abdrücke eines pflanzenfressenden Dinosauriers und eines urtümlichen Dicynodontiers – einer Tiergruppe, damals als längst ausgestorben galt. Doch jetzt enthüllen Fundstücke in einer Fossilsammlung, dass diese „Phantom-Spuren“ wahrscheinlich echt sind. Dinos und Dicynodontier kamen demnach doch zur gleichen Zeit in der gleichen Gegend vor.

Vor rund 260 Millionen Jahren entwickelten sich die Therapsiden – eine in vielen Merkmalen erstaunlich säugetierähnliche Reptiliengruppe. Ihre Beine waren nicht mehr seitlich abgespreizt und ihre Rippen am Hals und im Lendenbereich zurückgebildet. Einige von ihnen besaßen zudem schon ein Fell und bauten sogar Wohnhöhlen. Zu den besonders bizarren Vertretern dieser Tiergruppe gehörten die Dicynodontier – massige Pflanzenfresser mit Hornschnabel und langen Eckzähnen.

Nur nacheinander?

Lange Zeit glaubte man, dass die Dicynodontier bereits Ende der Trias, vor rund 210 Millionen Jahren wieder ausstarben. Erst ihr Verschwinden machte nach gängiger Annahme den Weg für große pflanzenfressende Dinosaurier frei – denn beide besetzten ähnliche ökologische Nischen. „Eine direkte Begegnung zwischen diesen Dinosauriern und den Dicynodontiern hielt man daher nicht für möglich“, erklärt Christian Kammerer vom North Carolina Museum of Natural Sciences.

Umso ungläubiger waren Paläontologen, als in den 1950er Jahren Fußspuren von Dinosauriern und Dicynodontiern gefunden, die offenbar zeitgleich und nebeneinander entstanden waren. Weil die Abdrücke jedoch schlecht erhalten waren, bezweifelten die meisten Forscher, dass es sich um Spuren eines Dicynodontiers handelte. Sie wurden als „Phantom-Spuren“ oder fehlinterpretierte Abdrücke eines Sauropoden abgetan.

Überraschung in der Museumsammlung

Doch diese Spuren sind alles andere als ein Phantom, wie Funde in einer Fossilsammlung aus dem 19. Jahrhundert belegen. Der eigenbrödlerische und exzentrische Brite Alfred Brown hatte diese Stücke aus der späten Trias in den 1870er Jahren in Südafrika gesammelt. Als Kammer nun diese in Wien aufbewahrten Fossilien näher untersuchte, entdeckte er Überraschendes:

„Zu meinem großen Erstaunen bemerkte ich Kiefer- und Armknochen von Dicynodontiern zwischen den Dinosaurier-Fossilien“, berichtet Kammerer. „Als ich weiter schaute, fand ich mehr und mehr Knochen, die von Dicynodontiern stammten, darunter Schädelteile, Gliedmaßen und eine Wirbelsäule.“ Entgegen bisherigen Annahmen hatten die Dicynodontier demnach in Afrika bis in die späte Trias überlebt.

Das Rätsel der Phantom-Spuren – und seine mögliche Lösung© Ant Lab

Dino und Uralt-Reptil im gleichen Gebiet

Das Spannende daran: Die jetzt entdeckten Fossilien, Pentasaurus goggai getauft, belegen, dass die urtümlichen Dicynodontier zeitgleich und im gleichen Lebensraum wie pflanzenfressende Dinosaurier vorkamen. Denn aus der gleichen Gesteinsformation, in der Brown damals die Dicynodontierknochen fand, stammen auch einige Sauropodenknochen der Gattung Eucnemesaurus.

„Die Präsenz von Pentasaurus und Eucnemesaurus in diesem Material repräsentiert das erste gemeinsame Vorkommen eines Dicynodontiers und eines großen Sauropoden in der Trias“, berichtet Kammerer. Entgegen früheren Annahmen entwickelten sich diese beiden großen Pflanzenfresser nicht nacheinander, sondern sind sich möglicherweise sogar begegnet.

„Phantom-Spuren“ könnten echt sein

Das bedeutet auch: Die vermeintlichen „Phantom-Spuren“ eines Dicynodontiers neben einem Sauropoden waren vermutlich echt. Dafür spricht nach Kammlers Ansicht die Tatsache, dass diese Spuren morphologisch zu den jetzt entdeckten Dicynodontier-Fossilien passen – auch wenn leider keine Fußknochen erhalten sind. Zudem stammen Spuren und Fossilien aus der gleichen südafrikanischen Gesteinsformation.

„Auch wenn wir eine morphologische Übereinstimmung zwischen den Spuren und den Fossilien nicht eindeutig belegen können, gibt es starke Indizien dafür, dass Pentasaurus goggai diese Abdrücke hinterließ“, so Kammerer. ( Palaeontologia Africana, 2018)

(North Carolina Museum of Natural Sciences, 19.03.2018 – NPO)

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