Mysteriöse Flecken: Auf der Venus könnte es vielleicht doch Leben geben – zwar nicht auf ihrer höllisch-heißen Oberfläche, wohl aber in den kühleren Wolken des Planeten. Indizien dafür könnten sich in rätselhaften dunklen Flecken der Venus-Wolkenschicht verbergen. Ihre spektroskopischen Merkmale stimmen auffallend gut mit denen von irdischen Biomolekülen und Mikroben überein – und auch diese finden sich häufig in der Lufthülle unseres Planeten.
Die Venus ist auf den ersten Blick nicht gerade lebensfreundlich: Auf ihr herrschen mehr als 450 Grad Hitze, Vulkane speien Lava und die dichte Atmosphäre lastet mit enormem Druck auf der Oberfläche des Planeten. Doch das war nicht immer so: In der Frühzeit des Sonnensystems könnte es auf der Venus milde Temperaturen und sogar ganze Ozeane gegeben haben – wahrscheinlich sogar mehr als zwei Milliarden Jahre lang.
Leben in der Wolkenschicht?
„Die Venus hatte damit reichlich Zeit, um Leben zu entwickeln“, sagt Sanjay Limaye von der University of Wisconsin-Madison. Aber könnte dieses Leben den Wandel unseres Nachbarplaneten zu den heutigen eher höllischen Bedingungen überlebt haben? Klar scheint, dass die Venus-Oberfläche dafür viel zu lebensfeindlich ist.
Doch es gibt einen anderen Bereich des Planeten, der als möglichen Lebensraum in Frage käme: die Wolken der Venus. „Die untere Wolkenschicht in 47 bis 50 Kilometern Höhe bietet günstige Bedingungen für Leben, darunter milde Temperaturen von bis zu 60 Grad und einen Druck von nur einer Atmosphäre“, berichten Limaye und seine Kollegen. Die Gashülle filtern zudem genügend UV-Licht, um die Strahlenbelastung in den unteren Wolkenzonen niedrig zu halten.
Rätselhafte dunkle Flecken
Und es könnte noch ein Indiz für mikrobielles Leben auf der Venus geben: Raumsonden und Teleskope haben häufig seltsame dunkle Flecken in den Venus-Wolken beobachtet. Sie deuten auf die Präsenz von lichtabsorbierenden Partikeln oder Molekülen in der Venus-Atmosphäre hin. „Diese Flecken erscheinen im UV-Licht 30 bis 40 Prozent dunkler als die Umgebung und verändern ständig ihre Form – manchmal im Laufe von Minuten, manchmal in Wochen“, sagt Limaye.
Was diese dunklen Stellen verursacht und woraus sie bestehen, ist jedoch bisher nicht geklärt. Spektroskopische Beobachtungen deuten zwar daraufhin, dass dort besonders viel Schwefelsäure und möglicherweise Eisenchlorid (FeCl3) präsent sein könnte. Aber auch Graphitstaub, Stickoxide oder andere Säuren wurden als mögliche Ursache dieser lichtabsorbierenden Stellen vorgeschlagen.
Schwebende Mikroben
Doch Limaye und seine Kollegen haben nun eine weitere, noch spannendere Erklärung vorgestellt: Die dunklen Flecken in den Venus-Wolken könnten ihrer Ansicht nach auch von lichtabsorbierenden Mikroben stammen. Denn die Flecken weisen die gleichen spektroskopischen Merkmale und auch sehr ähnliche Partikelgrößen wie viele Bakterien in der irdischen Lufthülle auf, so die Forscher.
Studien zeigen, dass sich in der Erdatmosphäre Bakterien und Viren noch bis in gut 40 Kilometer Höhe finden. Sie werden über aufsteigende Luftmassen beispielsweise bei der Verdunstung in die Höhe gerissen und vom Wind teilweise über ganze Kontinente hinweg transportiert.
Irdische Extremophile als Vorbild
Auf der Venus könnte es nach Ansicht der Wissenschaftler ähnlich sein. „Die von den Sonden Pioneer, Akatsuki, Galileo und Messenger ermittelten Kontraste sind den Absorptionsmerkmalen terrestrischer biologischer Moleküle erstaunlich ähnlich“, berichten Limaye und seine Kollegen. „Das Bakterium Acidithiobacillus ferrooxidans hat ein UV-Spektrum, das dem der Venus-Wolken stark gleicht.“
Dieses Bakterium gehört zu den irdischen Mikroben, die unter Extrembedingungen überleben können, wie sie auch in den Venus-Wolken herrschen: Es erzeugt seine Energie aus der Oxidation von Schwefel, Eisen und Wasserstoff, absorbiert CO2 und Stickstoff, und gedeiht unter stark sauren Bedingungen bei Temperaturen von 50 bis 60 Grad.
Russische Venus-Mission könnte Klarheit bringen
Limaye und seine Kollegen halten es daher für durchaus möglich, dass einst auch auf der Venus solche extremophilen Bakterien entstanden sind. Als sich dann das Venusklima wandelte, fanden sie in den Wolken des Planeten ein neues Refugium. Sollte dies stimmen, dann könnten unteren Wolken der Venus zwischen 0,1 und 100 Milligramm pro Kubikmeter organische Materie und damit mögliche Mikroben existieren. Das schließen die Forscher aus den optischen Eigenschaften der dunklen Flecken.
„Um wirklich zu erfahren, ob es solche Mikroben gibt, müssen wir aber dorthin und Proben aus den Wolken entnehmen“, sagt Koautor Rakesh Modul von der California State Polytechnic University. Die Venus konnte ein aufregendes neues Kapitel in der astrobiologischen Erkundung werden.“ Erste Daten dazu könnte die russische Venera-D-Mission liefern, die Ende der 2020er Jahre zur Venus starten soll. Sie könnte auch eine Landeeinheit sowie eine schwebende Plattform für die Erforschung der Wolkenschicht umfassen. (Astrobiology, 2018; doi: 10.1089/ast.2017.1783)
(University of Wisconsin-Madison, 04.04.2018 – NPO)