Beliebt dank Erfolg: Lemuren suchen sich ihre Freunde offenbar auch nach deren Fähigkeiten aus. Ein Experiment zeigt: Primaten, die sich bei schwierigen Aufgaben als clever erweisen, werden von anderen Gruppenmitgliedern intensiver gekrault und gelaust – eine durchaus sinnvolle Strategie. Denn die Fellpflege stärkt die soziale Bindung und damit die Chance, vom Erfolg des Anderen zu profitieren.
Wir teilen die gleichen Interessen, haben gemeinsame Vorlieben und lachen über dieselben Dinge: Oft suchen wir uns Menschen als Freunde, die uns in vielen Dingen ähnlich sind. Doch nicht nur Gemeinsamkeiten entscheiden darüber, mit wem wir uns umgeben. Auch wenn es wenig romantisch klingt – der Nutzen einer Beziehung spielt manchmal wohl eine ebenso große Rolle.
Denn wer hat ihn nicht: den cleveren Freund, der immer wieder bei Matheproblemen aushilft, den sportlichen Freund, der zum Gang ins Fitnessstudio motiviert oder den Siegertypen-Freund, von dessen Glanz wir uns eine gewisse Abstrahlwirkung erhoffen? Wissenschaftler um Ipek Kulahci von der Princeton University haben nun herausgefunden, dass solche Faktoren nicht nur in menschlichen Sozialgefügen von Bedeutung sind. Andere Primaten suchen sich ihre Freunde offenbar nach ähnlichen Prinzipien aus.
Wer knackt das Rätsel?
Für ihre Studie beobachteten die Forscher freilebende Kattas auf der St. Catherines Island im US-Bundesstaat Georgia. Die Lemuren mit dem geringelten Schwanz kommen in freier Wildbahn sonst nur auf Madagaskar vor, eine Population wurde aber in den 1980er Jahren zu Forschungszwecken auf der amerikanischen Insel eingeführt. Wie in ihrer ursprünglichen Heimat leben die Primaten dort in Verbänden von 20 bis 30 Tieren.
Im Revier von zwei dieser Gruppen stellten Kulahci und ihre Kollegen eine Plexiglaskiste auf. Wer geschickt war und lernte, die Box zu öffnen, konnte als Belohnung an eine darin enthaltene Traube gelangen. Wie würden die Kattas mit der Kiste und untereinander interagieren?
Mehr Fellpflege dank Erfolg
Es zeigte sich: Sozial besonders gut vernetzte Lemuren lösten die Aufgabe häufiger als andere Tiere. Gleichzeitig galt aber auch: Hatte ein Katta die Traube ergattert und andere hatten diesen Erfolg beobachtet, wurde er danach in der Gruppe deutlich populärer. „Diese Lemuren bekamen mehr bindungsförderndes Verhalten wie Kraulen oder Fellpflege entgegengebracht – und zwar ohne dabei ihr eigenes Sozialverhalten anzupassen“, berichtet Kulahci.
Das ist erstaunlich, weil die Fellpflege bei Primaten in der Regel auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruht. Wer gekrault und gelaust werden will, muss das Gleiche beim Gegenüber tun. Lediglich dominanten Individuen wird oft vermehrte Aufmerksamkeit zuteil, ohne dass sie den Gefallen erwidern würden. „Es ist also ein bemerkenswertes Muster, dass beim erfolgreichen Lernen beobachtete Tiere ohne Gegenleistung mehr Fellpflege erhalten“, sagt Kulahci.
Von Freunden lernen
Kenntnisreich und erfolgreich zu sein, beeinflusst demnach die Position eines Tieres innerhalb des sozialen Netzwerks. Diesen Zusammenhang hat den Forschern zufolge bisher noch keine Studie gezeigt. Frühere Untersuchungen haben zwar bereits nahegelegt, dass soziale Beziehungen die Verbreitung von Informationen innerhalb einer Primatengruppe steuern. Die Kehrseite hatte bisher aber niemand bedacht: wie Lernen und Information die Strukturen des Sozialgefüges verändern.
Für die Kattas ist diese Anpassung des Sozialverhaltens durchaus sinnvoll: „Mit erfolgreichen Individuen sozial gut vernetzt zu sein, erhöht die Chancen, von diesen Individuen zu lernen, sie zu kopieren und später selbst erfolgreicher zu sein“, schließt Kulahci. So wie bei uns… (Current Biology, 2018; doi: 10.1016/j.cub.2018.02.079)
(Princeton University, 06.04.2018 – DAL)