Physik

Elektronen im Doppelzustand

Forscher versetzen Teilchen mit Laserpulsen in einen bereits vor Jahrzehnten postulierten Zustand

Im Doppelzustand wirken sowohl das elektrische Feld des Lasers als auch das des Atomkerns auf das Elektron. © UNIGE/ Xavier Ravinet

Weder ganz frei, noch an den Atomkern gebunden: Erstmals haben Physiker Elektronen mithilfe von Laserpulsen in einen solchen Doppelzustand versetzt – und damit eine jahrzehntealte Hypothese bestätigt. Ihre Experimente liefern nicht nur überraschende Erkenntnisse über die Ionisationsprozesse von Materie. Sie haben auch das Potenzial, die Laser-Theorie zu revolutionieren.

Atome bestehen aus einem Atomkern sowie Elektronen, die an diesen Kern gebunden sind und ihn umkreisen. Doch dieser Zustand kann verändert werden: Durch starke Gegenkräfte lassen sich Elektronen aus dem anziehenden elektrischen Feld „ihres“ Atomkerns herauslösen und in die Umgebung freisetzen. Eine solche Ionisierung gelingt beispielsweise mithilfe von Laserstrahlen.

Dieser Zusammenhang war dem Theoretiker Walter Henneberg bereits vor einem halben Jahrhundert bekannt – und er entwickelte eine interessante Idee dazu: Könnte es möglich sein, ein Elektron in eine Art Doppelzustand zu versetzen, in dem es weder völlig frei, noch fest an den Atomkern gebunden ist? Gefangen im Laserstrahl wäre es dann dazu gezwungen, sich abwechselnd in Richtung Kern und wieder von diesem weg zu bewegen. Denn es würde sowohl das elektrische Feld des Lasers als auch das des Atomkerns auf das Teilchen wirken.

Premiere im Laserstrahl

Bei einem solchen Doppelzustand sollte es möglich sein, die Bewegung des Elektrons im Wechselspiel dieser beiden elektrischen Felder zu kontrollieren und damit Atome mit neuartiger Elektronenstruktur zu erzeugen, die sich mithilfe des Laserlichts einstellen lässt. Soweit die Theorie. Doch was ist dran an dieser Hypothese?

Seit den 1980er Jahren haben Wissenschaftler immer wieder versucht, Elektronen in den von Henneberg postulierten Zustand zu versetzen – bisher ohne Erfolg. Mary Matthews von der Universität Genf und ihre Kollegen haben nun einen weiteren Anlauf gestartet und können erstmals Positives vermelden: Sie schafften es tatsächlich, ein Elektron nach seiner Freisetzung im Laserstrahl in der Nähe seines Atomkerns gefangen zu halten.

Das „Tal des Todes“

Diese Premiere gelang den Physikern bei Experimenten mit Argon-Atomen und unterschiedlichen Laserintensitäten. Um einen Doppelzustand zu erreichen, mussten sie genau jenen Laserpuls finden, der das Elektron zu identischen Schwingungen in Richtung Atomkern und wieder von ihm weg zwingt. Denn nur so bleiben seine Energie und sein Zustand stabil.

Die Forscher erwarteten, dass sie das Elektron am besten mit hohen Intensitäten aus dem Atomverbund würden befreien können. Doch es zeigte sich Überraschendes: „Entgegen der natürlichen Erwartungen – dass ein Laser ein Elektron umso eher freisetzen sollte, je stärker er ist – stellten wir fest, dass es eine bestimmte Grenze für die Intensität gibt, ab der wir ein Atom nicht mehr ionisieren können“, berichtet Mitautor Misha Ivanov vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie in Berlin.

100 Billionen Watt pro Quadratzentimeter

In diesem von dem Team „Death Valley“ – Tal des Todes – getauften Bereich verloren sie jegliche Kontrolle über das Elektron. Oberhalb dieses Bereichs konnten sie das Teilchen hingegen wieder kontrollieren – und genau dort positionierten sie ein Elektron im Doppelzustand.

„Wir haben ein Laserfeld mit einer Intensität von 100 Billionen Watt pro Quadratzentimeter erzeugt und konnten so das Tal des Todes überwinden und die Elektronen in der Nähe ihres Atomkerns festhalten, und zwar über ein Periode normaler Oszillationen im elektrischen Feld des Lasers“, sagt Jean-Pierre Wolf von der Universität Genf. Zum Vergleich: Die Intensität der Sonnenstrahlen auf der Erde liegt bei nur rund 100 Watt pro Quadratmeter.

„Das Gegenteil bewiesen“

„Das gibt uns die Möglichkeit, durch die Bestrahlung mit passendem Laserlicht neuartige Atomzustände zu erzeugen, deren Elektronen ganz neue Energieniveaus aufweisen“, konstatiert Wolf. „Früher hielt man es für unmöglich, solche Doppelzustände zu erzeugen, und jetzt haben wir das Gegenteil bewiesen.“

Damit bestätigen die Wissenschaftler eine jahrzehntealte Hypothese und liefern gleichzeitig neue Erkenntnisse zu den Ionisationsprozessen von Materie. Doch nicht nur das: Weitere Experimente offenbarten, dass Elektronen im Doppelzustand eine interessante Eigenschaft aufweisen – sie können Licht verstärken. „Das wird eine fundamentale Rolle bei neuen Theorien und Vorhersagen spielen, die die Ausbreitung starker Laserstrahlen in Gasen beschreiben, etwa in Luft“, schließt Wolf. (Nature Physics, 2018; doi: 10.1038/s41567-018-0105-0)

(Forschungsverbund Berlin e. V., 17.04.2018 – DAL)

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