Medizin

Künstliches Muttermal warnt vor Krebs

Implantat mit Melanin-produzierenden Zellen registriert erste Anzeichen wachsender Tumore

Ein solches Muttermal auf der Haut könnte künftig auf eine mögliche Krebserkrankung hinweisen. © ETH Zurich

Früherkennung 2.0: Um eine Krebserkrankung rechtzeitig zu erkennen, könnte künftig ein Blick auf den Arm genügen. Denn Forscher haben ein Hautimplantat entwickelt, das subtile Anzeichen wachsender Tumore registriert – und als Reaktion darauf das Pigment Melanin produziert. Als Folge entsteht auf der Haut eine Art Muttermal. In Zukunft könnten so viel frühere Diagnosen möglich sein. Bis es soweit ist, werden allerdings wohl noch Jahre vergehen.

Jeder zweite Deutsche bekommt im Laufe seines Lebens die Diagnose Krebs. Ob Brust-, Prostata- oder Darmtumor – entscheidend für die Heilungsaussichten ist dabei immer, in welchem Stadium die Erkrankung festgesellt wird. Je früher ein Mediziner den Krebs erkennt, desto besser steht es um die Überlebenschancen.

Das Problem: „Oft gehen Betroffene erst zum Arzt, wenn der Tumor anfängt, sich bemerkbar zu machen. Leider ist das in vielen Fällen zu spät“, sagt Martin Fussenegger von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich in Basel. Screening-Maßnahmen ermöglichen im Einzelfall zwar eine frühere Diagnose. Doch diese sind erstens nicht unumstritten – und sie setzen zweitens voraus, dass die Patienten regelmäßig daran teilnehmen.

Zellen als Calcium-Sensor

Der Bioingenieur und seine Kollegen haben sich deshalb gefragt: Gibt es eine alternative Möglichkeit, Krebserkrankungen wirklich verlässlich und zudem besonders rechtzeitig zu erkennen? Ihre Lösung klingt genial und skurril zugleich: Ein in den Körper eingeschleustes Frühwarnsystem soll erste Anzeichen wachsender Tumore erkennen und Betroffene im Fall der Fälle unmissverständlich darauf aufmerksam machen.

Das von den Forschern entwickelte System besteht aus gentechnisch veränderten menschlichen Zellen, die über einen Calcium-Rezeptor verfügen. Hohe Calcium-Werte im Blut können ein früher Biomarker für Erkrankungen der Niere, aber auch bestimmte Tumore sein – darunter die vier häufigsten Krebsarten Prostata-, Lungen-, Darm- und Brustkrebs.

Bei überhöhten Calcium-Werten produzieren die gentechnisch veränderten Zellen vermehrt Melanin (rechts). © A. Tastanova et al., Science Translational Medicine

Warnung via Muttermal

Eingebettet in ein Implantat, können diese Zellen unter die Haut gebracht werden und dort als Sensor für ungewöhnliche Calcium-Konzentrationen fungieren. Der Clou: Übersteigen die Werte über einen längeren Zeitraum einen bestimmten Schwellenwert, beginnen die Zellen das Pigment Melanin zu produzieren.

Als Folge taucht auf der Haut eine Art Muttermal auf – ein deutlich sichtbares Zeichen dafür, sich vom Arzt einmal gründlich durchchecken zu lassen. Wie Fussenegger betont, erscheint der Leberfleck dabei lange bevor eine Krebserkrankung mit den üblichen Routinemethoden feststellbar wäre. „Er bedeutet nicht, dass die Person bald sterben muss.“ Im Gegenteil: Bestätigt sich beim Mediziner der Anfangsverdacht, bleibt durch die frühe Diagnose viel Zeit für die Therapie.

Langer Weg bis zur Marktreife

Dass ihre Methode tatsächlich funktioniert, haben die Wissenschaftler bereits mit an unterschiedlichen Krebsarten erkrankten Mäusen gezeigt. Demnach erschien das „Muttermal-Tattoo“ verlässlich nur auf der Haut von jenen Nagern, die unter kanzerösen Tumoren litten, die mit einem erhöhten Calcium-Spiegel einhergehen. Keines der Versuchstiere zeigte zu diesem Zeitpunkt bereits offensichtliche Krankheitszeichen, wie das Team berichtet.

Doch es gibt einen Nachteil: Die Lebensdauer eines solchen Implantats ist bis jetzt noch begrenzt. „Verkapselte Lebenszellen halten gemäß anderen Studien rund ein Jahr. Danach müssen sie inaktiviert und ersetzt werden“, sagt Fussenegger. Auch aus diesem Grund wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis der Prototyp der Forscher den Weg in die Praxis findet. Nach Einschätzung von Fussenegger wird es mindestens zehn Jahre dauern, das neue Diagnosetool marktreif für den Einsatz am Menschen zu machen.

Die weitere Forschung und Entwicklung könnte sich jedoch lohnen – nicht nur im Bereich der Krebsdiagnostik. Wie Fussenegger betont, kann das Konzept grundsätzlich auch auf andere sich schleichend entwickelnde Krankheiten angewandt werden, zum Beispiel neurodegenerative Erkrankungen oder hormonelle Störungen. Dafür müssten die Wissenschaftler lediglich den Calcium-Rezeptor gegen einen anderen molekularen Sensoren austauschen. (Science Translational Medicine, 2018; doi: 10.1126/scitranslmed.aap8562)

(ETH Zürich/ AAAS, 19.04.2018 – DAL)

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