Überraschende Übernahme: Forscher haben einen Schimmelpilz entdeckt, der seinen Schwerkraftsinn wahrscheinlich von Bakterien geklaut hat. Denn der Pilz verfügt über denselben genetischen Bauplan für einen Schwerkraftsensor aus Octin-Proteinen wie die Bakterien. Erst in den Pilzen setzte sich das Octin jedoch durch einzelne Mutationen zu einem Kristall zusammen, wie die Autoren berichten.
Jedes Lebewesen nimmt seine Umgebung wahr und findet sich darin zurecht. Uns steht dafür eine ganze Palette von Sinnesorganen zur Verfügung – und selbst Bakterien können durch einen Konzentrationsgradienten von Molekülen einer bestimmten Richtung folgen. Auch Schimmelpilze wie die Art Phycomyces blakesleeanus wissen scheinbar ganz genau, wo oben und unten ist. Denn ihre Fruchtkörper wachsen schnurgerade nach oben. Wie aber bewerkstelligen die Pilze das?
Soviel war bereits bekannt: Die Fruchtkörper „spüren“ die Schwerkraft anhand eines fünf Mikrometer großen, oktaederförmigen Proteinkristalls, welcher innerhalb einer mit Flüssigkeit gefüllten Kammer sitzt. Unter dem Gewicht des Fruchtkörpers richtet sich der Kristall aus und verrät so, in welche Richtung der Pilz wachsen soll. Aber wie die Pilze im Laufe der Evolution an diesen Trick gelangt sind, blieb bisher unklar.
Horizontaler Gentransfer?
Um dieses Rätsel zu lösen, haben Tu Anh Nguyen von der National University of Singapore und ihre Kollegen den Kristall isoliert, ihn analysiert und nach seinem Ursprung gesucht. Der Kristall war aus zwei Komponenten eines einzigen Proteins aufgebaut: Die Forscher nannten das neu entdeckte Protein Octin. Die Sequenzierung des Octin-Gens ergab, dass unter den Pilzen nur jene Gruppe um Phycomyces blakesleeanus dieses Gen besaßen. Es kommt daneben aber auch vereinzelt in Bakterien und Eukaryoten vor.