Wenn die Süßwasser-Linse versalzt
Das Problem: Das Trinkwasser der meisten Atolle und Tropeninseln stammt allein aus vom Regen gespeisten Wasservorkommen. Diese bilden im Untergrund dünne Süßwasser-Linsen, die wegen ihrer geringeren Dichte auf dem salzigen Grundwasser der Atolle schwimmen. Wird nun jedoch bei einer Überflutung Salzwasser von oben in diese Süßwasservorkommen gespült, vermischt sich das Wasser und das Trinkwasser versalzt.

Flutbedingte Überschwemmung auf dem Roi-Namur-Atoll im Südpazifik © Peter Swarzenski/ US Geological Survey
Wie akut diese Gefahr für die tausenden von Tropeninseln ist, haben die Forscher am Beispiel der Marshall-Inseln im Südpazifik untersucht. Sie ermittelten für eine der Inseln im Kwajalein-Atoll, wie häufig in der Zeit von November 2013 bis Mai 2015 Überschwemmungen vorkamen und wie dies die Trinkwasservorkommen beeinflusste. Anhand zweier Modelle berechneten sie dann, wie sich dieser Trend in Zukunft fortsetzen wird.
Unbewohnbar bis 2030?
Das Ergebnis: Viele Atolle könnten noch vor Mitte dieses Jahrhunderts wegen Trinkwassermangels unbewohnbar werden – deutlich früher als bisher angenommen. „Der Kipppunkt, ab dem kein trinkbares Wasser mehr verfügbar ist, wird in sehr naher Zukunft erreicht – noch innerhalb der Lebenszeit der heutigen Inselbewohner“, so die Forscher. Ihren Prognosen nach könnten viele Inseln bei ungebremstem Klimawandel schon 2030 bis 2040 diesen Punkt erreichen.
Der Grund dafür: Durch steigende Pegel und vermehrte Fluten werden die Überschwemmungen der Inseln so häufig vorkommen, dass selbst starke, wiederholte Regenfälle das Salzwasser nicht mehr ausspülen können. „Der Niederschlag reicht dann nicht mehr aus, um die Wasservorräte der Inseln aufzufüllen, bevor die Stürme des nächsten Jahres und damit erneute Überflutungen beginnen“, erklärt Koautor Stephen Gingerich vom USGS.
Millionen Inselbewohner betroffen
Das aber bedeutet: In wenigen Jahren bis Jahrzehnten könnten Millionen von Inselbewohner ihre Heimat verlieren. „Unsere Ergebnisse gelten nicht nur für die bewohnten Atolle der Marshall-Inseln, sondern auch für die Carolinen, die Cook-Inseln, die Malediven, Teile der Seychellen und auch der Hawaii-Inseln“, so Storlazzi und seine Kollegen. „Die meisten dieser Inseln haben eine ganz ähnliche Struktur und Morphologie wie das Kwajalein-Atoll.“
Hinzu kommt: Nach Ansicht der Forscher könnten ihre Modelle die Gefahr sogar noch unterschätzt haben. Denn die von ihnen als Beispiel gewählten Marshall-Inseln gehören zu den eher hochliegenden Inseln im Pazifik. Viele andere Atolle aber ragen weniger weit über dem Ozean auf und könnten daher noch schneller versalzen und unbewohnbar werden. „Das hier präsentierte Timing für die Kipppunkte könnte daher zu konservativ sein“, so die Wissenschaftler.
Vielen bleibt nur die Flucht
Nach Ansicht der Wissenschaftler unterstreichen ihre Ergebnisse die unmittelbare Bedrohung, die der Klimawandel für viele Inselstaaten und Atolle darstellt. „Unsere Daten demonstrieren die Aktualität der Gefahr und unterstreichen die Dringlichkeit für eine entsprechende Planung und Maßnahmen“, sagen Storlazzi und seine Kollegen.
Denn wenn nichts getan werde, dann bleibe vielen Inselbewohnern nur die Flucht aus ihrer Heimat. „Und das könnte signifikante geopolitische Folgen nach sich ziehen“, so die Forscher. Das Problem: zwar könnten technische Lösungen wie Schutzwälle viele Inseln vor der vermehrten Überflutung schützen. Doch die meisten dieser Maßnahmen sind für die Inselstaaten schlicht zu teuer. Ohne Hilfe der Industrieländer – beispielsweise über einen Hilfsfonds wie er im Pariser Klimaabkommen beschlossen worden ist – wird es daher kaum gehen. (Science Advances, 2018; doi: 10.1126/sciadv.aap9741)
(US Geological Survey, 26.04.2018 – NPO)
26. April 2018