Unterschätzte „Autobahnen“ der Meere: Die invasive Rippenqualle Mnemiopsis leidyi gelangte über Frachtschiffe erstmals nach Europa. Doch dann sorgten Meeresströmungen für ihre weitere Ausbreitung in Nord- und Ostsee, wie Forscher herausgefunden haben. Dabei erweist sich das Strömungsnetz unserer Meere als erstaunlich effektive „Autobahn“ für solche invasiven Arten. Schon die einmalige Einschleppung in einen Hafen kann dadurch ausreichen, um nichtheimischen Arten den Weg in Nord- und Ostsee zu bahnen.
Eigentlich stammt sie von der US-Ostküste, aber seit rund zwölf Jahren breitet sich die Rippenqualle Mnemiopsis leidyi auch bei uns in Nord- und Ostsee aus. Das Problem: Die Qualle gilt als „Fischkiller“, weil sie Jungfische frisst und für viele Arten zusätzlich ein Nahrungskonkurrent ist. Zwar haben Forscher bisher keine schweren Auswirkungen dieser invasiven Art bei uns festgestellt, dennoch wird die Rippenqualle eng überwacht.
Von Westeuropa in die Ostsee – aber wie?
Ungeklärt war jedoch bisher die Frage, auf welchem Wege diese Rippenqualle die europäischen Meere erobert hat. Bereits 2010 hatten Forscher zwar ermittelt, dass Mnemiopsis leidyi vermutlich über das Ballastwasser von Frachtschiffen aus Nordamerika nach Europa gelangte. Aber wie sich dann die Qualle von dort aus verbreitet – ob per Schiff oder mit den Meeresströmungen, blieb unklar.
Jetzt hat ein internationales Team um Cornelia Jaspers vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel diese Frage geklärt. Für ihre Studie werteten die Forscher alle bekannten Daten über das Auftreten der Rippenqualle in europäischen Gewässern seit 1990 aus – insgesamt mehr als 12.000 georeferenzierte Datenpunkte. „Schon diese Bestandsaufnahme ist neu, denn bisher gab es nur regionale Studien über die Ausbreitung“, erklärt Jaspers. Dann verknüpften sie diese Daten mit Modellen zu den vorherrschenden Strömungen in Nord- und Ostsee.
Strömungen als Förderband
Das Ergebnis: Die Meeresgebiete Nordeuropas sind über ein erstaunlich effektives Netz von Strömungen miteinander verbunden – und dieses kann für invasive Arten wie eine Autobahn oder ein Förderband wirken. Die Rolle der Meeresströmung für die Ausbreitung solcher Arten sei bislang stark unterschätzt worden, so die Forscher. Auch ohne die Mitreise im Ballastwasser von Schiffen können sich treibende nicht-heimische Arten dadurch innerhalb kürzester Zeit über weite Strecken verbreiten.
„Anhand der eingeschleppten Meerwalnuss konnten wir zeigen, dass sie innerhalb von drei Monaten bis zu 2.000 Kilometer weit reisen kann“, sagt Koautor Hans-Harald Hinrichsen vom GEOMAR. Arten, die in Häfen der südwestlichen Nordsee wie Antwerpen oder Rotterdam ankommen, gelangen so sehr schnell bis Norwegen und in die Ostsee. Im Fall der Rippenquelle hat es auf diese Weise mindestens zwei Invasionswellen zweier verschiedener Genotypen gegeben, wie die Wissenschaftler ermittelten.
„Die Studie zeigt: Es reicht schon ein einzelnes Einfallstor, ein einziger Hafen, in dem Schiffe mit invasiven Arten ankommen“, betont Jaspers. „Wenn dieser Hafen in einem Gebiet mit starken Strömungen in die ,falsche‘ Richtung liegt, reicht das, um die nicht-heimischen Arten wiederkehrend über ganze Regionen weiterzuverbreiten.“ (Global Ecology and Biogeography, 2018; doi: 10.1111/geb.12742)
(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 23.05.2018 – NPO)