Biologie

Wie Zecken allein von Blut leben können

Symbiosepartner versorgt Blutsauger mit überlebenswichtigen Vitaminen

Zecken ernähren sich ausschließlich von Blut - und müssten daher eigentlich unter Vitaminmangel leiden. © Ixodes/ iStock.com

Mikrobieller Helfer: Zecken ernähren sich allein von Blut – und müssten daher eigentlich an einem Vitaminmangel zugrunde gehen. Forscher haben nun herausgefunden, warum dem nicht so ist. Demnach versorgt ein Bakterium die Blutsauger mit überlebenswichtigen B-Vitaminen. Der Keim lebt in Symbiose mit den Zecken und macht deren einseitige Ernährungsweise überhaupt erst möglich.

Warmes Wetter und sommerliche Temperaturen locken derzeit nicht nur uns nach draußen – auch Zecken sind vermehrt aktiv. Die kleinen Plagegeister lauern auf Gräsern und Sträuchern auf ihre menschlichen und tierischen Opfer, an deren Blut sie sich laben. Anders als beispielsweise Stechmücken ernähren sich die Tierchen ausschließlich von der roten Körperflüssigkeit. Jede ihrer Mahlzeiten ist eine Blutmahlzeit.

Diese hoch spezialisierte Ernährungsweise hat einen entscheidenden Nachteil: Sie ist arm an Vitaminen aus dem B-Komplex. Zecken sind auf diese Nährstoffe jedoch eigentlich angewiesen. Sie brauchen sie, um zu überleben. Wie also decken die Winzlinge ihren Vitaminbedarf, wenn nicht über die Nahrung? Wissenschaftler haben schon länger eine Vermutung: Könnte es sein, dass ein Symbiosepartner die Tiere mit den fehlenden Stoffen versorgt – zum Beispiel ein Bakterium?

Bakterium als Vitaminlieferant

Um dies zu überprüfen, haben sich Olivier Duron von der Universität Montpellier und seine Kollegen nun auf die Suche nach mikrobiellen Mitbewohnern im Zeckenkörper gemacht. Bei Untersuchungen mit Zecken der Modellart Ornithodoros moubata fiel ihnen auf: Die von den Tieren beherbergte Mikrobengemeinschaft wird von einem bestimmten gramnegativen Bakterienstamm aus der Gattung Francisella auffallend dominiert – und zwar in sämtlichen Entwicklungsstadien. So fanden die Forscher den Keim sowohl bei Larven, als auch bei Nymphen und erwachsenen Zecken.

Kolonien von Bakterien der Gattung Francisella © CDC

Der Verdacht lag daher nahe, dass dieses Bakterium eine entscheidende Rolle für die Entwicklung und das Überleben der Blutsauger spielen könnte. Tatsächlich zeigte eine anschließende Analyse des Bakteriengenoms: Die Mikrobe kann Vitamin B8, Vitamin B2 und Vitamin B9 synthetisieren – Wissenschaftler sprechen von Biotin, Riboflavin und Folsäure.

Gehemmte Entwicklung

Doch stellt die Mikrobe den Zecken diese Nährstoffe auch wirklich zur Verfügung? Dies testeten die Forscher, indem sie das Bakterium aus dem Körper heranwachsender Zecken entfernten. Es zeigte sich: Die Jungzecken stellten ihre Entwicklung ein. Bekamen sie die Vitamine, die der Keim produziert, jedoch als Nahrungsergänzungsmittel verabreicht, wuchsen sie anschließend wieder normal weiter.

Dem Team zufolge ist dies der entscheidende Beleg: Nur mithilfe der symbiotischen Partnerschaft mit dem Francisella-Bakterium können die Blutsauger ihren Vitamin B-Bedarf decken und wachsen und gedeihen. Im Laufe seiner Evolution hat der Keim rund die Hälfte seiner proteinkodierenden Erbgutsequenzen verloren – die Vitamin B-Synthesewege blieben aber erhalten, wie weitere Analysen offenbarten. „Dies bestätigt, wie wichtig diese Gene bei der Entwicklung seiner Partnerschaft mit den Zecken waren“, schreiben Duron und seine Kollegen.

Der einzige Symbiosepartner?

Damit haben die Wissenschaftler nun endlich geklärt, warum die Blutsauger sich derart einseitig ernähren können. Das Francisella-Bakterium könnte allerdings nicht der einzige Symbiosepartner sein, auf den die Zecken in Sachen Nährstoffversorgung setzen. Ein weiterer Kandidat ist dem Team zufolge eine Mikrobe aus der Gattung Coxiella.

Dieses symbiotische Bakterium ist zwar nur entfernt verwandt mit Francisella. Untersuchungen zeigen jedoch: Der Keim kann ebenfalls B-Vitamine synthetisieren und die Fitness mancher Zeckenarten leidet, wenn er mithilfe von Antibiotika eliminiert wird. (Current Biology, 2018; doi: 10.1016/j.cub.2018.04.038)

(CNRS/ Current Biology, 01.06.2018 – DAL)

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