Astronomie

Neutronenstern-Kollision schuf Schwarzes Loch

Röntgensignatur klärt Rätsel um die Natur des kosmischen Verschmelzungsprodukts

Was entstand bei der Neutronenstern-Kollision im August 2017? © NASA/CXC/ M.Weiss

Rätselhafter Überrest: Bisher war unklar, was bei der Neutronenstern-Kollision im August 2017 übrig blieb – ein neuer Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch? Jetzt liefern Röntgendaten erste Antworten. Eine abnehmende Emission der Strahlung spricht demnach eher für ein neues Schwarzes Loch, wie Astronomen berichten. Das Besondere: Dieses Schwarze Loch wäre das leichteste jemals im Kosmos entdeckte.

Am 17. August 2017 empfingen die Detektoren der LIGO- und Virgo-Observatoren zum ersten Mal die Gravitationswellen eines ganz besonderen Ereignisses: der Verschmelzung zweier Neutronensterne. Das GW170817 getaufte Ereignis fand 130 Millionen Lichtjahre entfernt statt und erzeugte große Mengen schwerer Elemente, sowie ein starkes Nachglühen in fast dem gesamten elektromagnetischen Spektrum.

Was entstand bei der Kollision?

Doch eine Frage blieb bisher offen: Was entstand aus den verschmolzenen Neutronensternen? Aus den Gravitationswellen konnten die Astronomen ablesen, dass das Produkt der Kollision rund 2,7 Sonnenmassen schwer sein musste. „Diese Masse deutet entweder auf einen sehr schweren, rotierenden Neutronenstern oder auf ein Schwarzes Loch hin“, erklären David Pooley von der Trinity University im texanischen San Antonio.

Das Problem: Laut gängigen Modellen kann ein Neutronenstern nicht viel schwerer als 2,16 Sonnenmassen werden, bevor er kollabiert. Alle bisher bekannten Schwarzen Löcher wiederum sind deutlich schwerer als drei Sonnenmassen. Das Produkt von GW170817 passte damit weder in die eine noch die andere Kategorie.

Aufnahme von GW170817 durch das Röntgenteleskop Chandra © NASA/CXC/ Trinity University/D. Pooley et al.

Verräterische Röntgenstrahlung

Jetzt haben Pooley und seine Kollegen erste Informationen über die Natur des rätselhaften Kollisionsprodukts erhalten. Für ihre Studie werteten sie Daten des Röntgenteleskops Chandra aus, das in den Tagen nach der Kollision und rund ein halbes Jahr später die Röntgenstrahlung von GW170817 aufgezeichnet hatte. Auch die vom Kollisionsrest ausgehenden Radiowellen bezogen sie in ihre Auswertungen ein.

Das Ergebnis: In den Tagen nach der Neutronenstern-Kollision stieg die Röntgenemission des Überrests stark an. Dann jedoch, nach gut 100 Tagen, sank die Strahlungsmenge wieder deutlich ab, wie die Astronomen berichten. Das jedoch passt nicht zum Szenario eines neugeschaffenen Neutronensterns: „Bei einem Neutronenstern würde das Röntgensignal weiter ansteigen und müsste an Tag 107 weitaus heller sein als detektiert“, so Pooley und seine Kollegen.

Die Röntgenkurve spricht für die Bildung eines Schwarzen Lochs. © NASA/CXC/ M.Weiss

Leichtestes bekanntes Schwarzes Loch

Nach Ansicht der Forscher spricht dies gegen die Bildung eines neuen Neutronensterns – und für das zweite mögliche Szenario: „Wir schließen aus unseren Daten, dass der Überrest von GW170817 höchstwahrscheinlich ein Schwarzes Loch ist“, konstatieren die Astronomen. Das Spannende daran: Sollte sich dies bestätigen, wäre dies das leichteste Schwarze Loch, das jemals beobachtet worden ist.

„Astronomen haben schon länger vermutet, dass Schwarze Löcher aus Neutronenstern-Kollisionen entstehen können, aber es fehlte ein Fallbeispiel – bis jetzt“, sagt Koautor Pawan Kumar von der University of Texas in Austin. „Wir könnten damit eine der grundlegenden Fragen zu diesem erstaunlichen Ereignis beantwortet haben: Was ist daraus entstanden?“

Gewissheit in ein bis zwei Jahren

Ob die Astronomen mit ihrem Szenario Recht haben, wird sich innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre entscheiden. Sollte in dieser Zeit die Röntgenemission weiterhin eher abflauen als stärker werden, würde dies bestätigen, dass es sich um Schwarzes Loch und keinen Neutronenstern handelt, wie die Forscher erklären.

„GW170817 ist ein astronomisches Ereignis, das uns weiter beschäftigt“, sagt Koautor Craig Wheeler von der University of Texas. „Wir lernen allein aus diesem einen Ereignis unglaublich viel über die Astrophysik solcher extrem dichteren Objekte.“ (The Astrophysical Journal Letters, in press; arXiv:1712.03240)

(Chandra X-Ray Center, 01.06.2018 – NPO)

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