Anstoß zum Weiterzug: Was trieb die Vorfahren der amerikanischen Ureinwohner von der Beringstraße nach Alaska? Womöglich gab ein kurzzeitiger Klimawechsel vor rund 14.000 Jahren einen wichtigen Anstoß dazu. Denn damals wurde es auf der Landbrücke zunehmend feucht und warm, wie Analysen von Sedimentproben zeigen. Dies hatte unter anderem ungünstige Lebensbedingungen für Karibus, Bisons und Co zur Folge – diesen Jagdtieren könnten frühe Einwanderer nach Alaska gefolgt sein, berichten Forscher.
Die ersten Siedler Nordamerikas kamen wahrscheinlich einst aus Asien über die Beringstraße auf den Kontinent. Wann und wie die Vorfahren der Indianer die Neue Welt besiedelten und ob es womöglich sogar mehrere Einwanderungswellen gab, ist zwar bis heute strittig. Klar scheint aber: Die Ursprungspopulation der Amerikaner muss sich bereits vor 25.000 Jahren genetisch von Bevölkerungsgruppen in Ostasien abgespalten haben.
Der gängigen Theorie zufolge könnte dies durch den Aufenthalt auf der Beringstraße passiert sein. Denn DNA-Analysen deuten darauf hin, dass die Landbrücke zwischen Ostsibirien und Alaska nicht nur ein Durchzugsgebiet war, sondern dass sich Vorfahren der amerikanischen Ureinwohner womöglich tausende Jahre lang auf ihr aufhielten. Was aber gab diesen Menschen dann den Anstoß, irgendwann doch weiter nach Amerika zu ziehen?
Blick in die Klima-Vergangenheit
Dieser oft diskutierten Frage haben sich nun Wissenschaftler um Matthew Wooller vom Water and Environmental Research Center in Fairbanks gewidmet – und einen Blick in die klimatische Vergangenheit der Region geworfen. Dafür analysierten die Forscher Bohrkerne aus Sedimenten des Lake Hill auf der St. Paul Island im Beringmeer.
Mithilfe von in den Proben enthaltenen DNA-Spuren, Pollenresten und anderen pflanzlichen wie tierischen Fossilien konnten sie Rückschlüsse auf das zu unterschiedlichen Zeiten dort herrschende Klima ziehen. Insgesamt rekonstruierten sie auf diese Weise, wie sich die Landschaft im Laufe der vergangenen 18.500 Jahre verändert hat.
Kurze Warmphase
Die Ergebnisse zeigen: Herrschte an der südlichen Grenze der Beringstraße zunächst ein eher trockenes und kaltes Klima vor, kam es in der Zeit vor rund 14.700 und 13.500 Jahren zu einem abrupten klimatischen Wechsel. Für eine relativ kurze Phase wurde es auf der Beringstraße dadurch zunehmend feuchter und wärmer.
Anhand von Analysen auf Basis von Mückenfossilien kommt das Forscherteam zu dem Schluss, dass die durchschnittlichen Juli-Temperaturen damals von rund fünf Grad auf elf Grad Celsius anstiegen. Auf diese Warmphase folgte dann vor rund 12.900 bis 11.700 Jahren ein erneuter Umschwung hin zu trockenem und kälterem Klima.
Ungünstige Bedingungen
Das Interessante daran: Die ersten eindeutigen archäologischen Belege für die Existenz von Menschen in Alaska sind 14.200 Jahre alt – und stammen damit genau aus der nun identifizierten Warmzeit auf der Bering-Landbrücke. War es womöglich dieser kurzzeitige Klimawandel, der die Vorfahren der Indianer aus ihrer alten Heimat vertrieb?
Nach Ansicht von Wooller und seinen Kollegen liegt diese Vermutung durchaus nahe. Denn wie sie betonen, könnte das warme und feuchte Wetter eher ungünstige Lebensbedingungen für die Menschen zur Folge gehabt haben. So verwandelte sich die Landschaft den Daten zufolge in ein Sumpfgebiet. Das bedeutet, dass große Weidetiere wie Mammuts und Bisons weniger geeigneten Lebensraum zur Verfügung hatten und möglicherweise wegzogen oder ausstarben.
Flucht vor Mücken
Auch das gehäufte Auftreten von Moskitos könnte den Forschern zufolge eine Rolle dabei gespielt haben. So beeinflussen die feucht-warmes Klima liebenden Blutsauger beispielsweise das Migrationsverhalten heutiger Karibu-Herden. „Wanderungen von Karibus und anderen Tieren könnten die Menschen nach und nach dazu bewegt haben, die Beringbrücke zu verlassen und den für sie wichtigen Ressourcen zu folgen“, schreibt das Wissenschaftlerteam.
Hinzu kommt, dass die sumpfige Landschaft nicht nur für Tiere, sondern auch für die menschlichen Bewohner ein möglicherweise schwieriges Terrain war: Sich auf der sehr tief liegenden Beringstraße von A nach B zu bewegen, war unter diesen Bedingungen schwierig – das könnte die Bewohner dazu veranlasst haben, sich auf die Suche nach trockeneren Gefilden zu begeben.
Wichtiger Anstoß
Den Forschern zufolge besteht somit zumindest die Möglichkeit, dass der damalige Klimawechsel einen wichtigen Anstoß zur Migration nach Amerika gab. Schon bevor der Anstieg des Meeresspiegels und der Untergang der Landbrücke die Vorfahren der Indianer vor rund 11.000 Jahren endgültig aus ihrem Refugium vertrieb, steuerten demnach Klima- und Umweltveränderungen die Einwanderung des Menschen in die Neue Welt. (Royal Society Open Science, 2018; doi: 10.1098/rsos.180145)
(Royal Society Open Science, 20.06.2018 – DAL)