Rennsegler als Messplattformen: Selbst mitten im Pazifik, dem am weitesten von allen Küsten entfernten „Point Nemo“, schwimmt Mikroplastik. Das zeigen Messungen ungewöhnlicher Art. Denn Meeresforscher haben erstmals eine Segelregatta rund um die Welt genutzt, um Daten zu Mikroplastik und Meerwasser zu erheben. Sie rüsteten dafür zwei teilnehmende Rennyachten mit speziellen Sensoren aus – eine Premiere.
Das Problem ist nicht neu: Unser Plastikmüll sorgt dafür, dass inzwischen alle Meere mit Mikroplastik versucht sind. Selbst in der Antarktis, der Arktis, am Strand unbewohnter Inseln und sogar der Tiefsee finden sich mittlerweile Kunststoffpartikel. Dennoch gibt es noch immer Meeresgebiete, die kaum untersucht sind – darunter auch der „Point Nemo“ – die Stelle im Südpazifik, die am weitesten von allen Landflächen entfernt ist.
Rennyachten als Messplattformen
Um das zu ändern, haben sich Meeresforscher um Toste Tanhua vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel eine ungewöhnliche Messstrategie ausgedacht: Sie nutzten Rennboote des „Volvo Ocean Race“ als Sensorenträger. Bei dieser Regatta einmal um die Welt legen die Segelyachten in rund acht Monaten rund 83.000 Kilometer zurück und gelangen dabei auch in die fernsten Winkel der Ozeane.
Zwei der Schiffe, das UN-Boot „Turn the Tide on Plastic“ und das Boot „AkzoNobel“ wurden dabei mit speziellen Sensoren ausgestattet, die entlang der Regattastrecke rund um die Welt ozeanographische Daten und die Verteilung von Mikroplastikpartikeln gemessen haben. „Wir können jetzt unter anderem entlang der gesamten Regattastrecke die Verteilung von Mikroplastik im Ozean nachvollziehen, also auch in Regionen, in denen danach bisher nicht gesucht wurde“, sagt Tanhua.
Mikroplastik mitten im Pazifik
Das vorläufige Ergebnis: Selbst an der am weitesten vom nächsten Land entfernten Stelle der Ozeane, dem sogenannten Point Nemo im Südpazifik, ist mittlerweile Mikroplastik im Meerwasser zu finden. „Allerdings muss man sagen, dass die Konzentration der Partikel regional sehr unterschiedlich ist“, betont Sören Gutekunst vom „Ozean der Zukunft“. Die höchsten Konzentrationen fanden sich entlang der Regattastrecke im Mittelmeer und im westlichen Pazifik.
Neben der Suche nach Mikroplastikpartikeln stand auch die Erhebung ozeanographischer Daten wie des Salzgehalts, der Wassertemperaturen, des Kohlendioxidgehalts und die Menge des Chlorophylls im Fokus des Projekts. „Trotz aller modernen Messtechniken erhalten wir aus den Ozeanen immer noch viel weniger Umweltdaten als von Messstationen an Land. Deshalb sind wir mit diesem Projekt neue Wege gegangen, um weitere Lücken zu schließen“, sagt Tanhua.
Vom Frachter zur Rennyacht
Unterwegs-Messungen sind für die Kieler Ozeanographen eigentlich Routine. Seit etlichen Jahren haben sie beispielsweise ein regelmäßig zwischen Europa und den USA pendelndes Frachtschiff mit Sensoren bestückt. „Doch Hochsee-Rennyachten sind auf maximale Geschwindigkeit getrimmte Sportgeräte. Wir mussten unsere Sensoren für das VOR also deutlich kleiner und leichter bauen, als es bei einem Frachter notwendig ist“, erklärt Tanhua.
Die Forscher mussten bestehende Sensoren so umbauen lassen, dass sie nicht nur den harschen Bedingungen einer Hochsee-Regatta trotzen, sondern auch den ohnehin knappen Platz in einer Rennyacht nicht unnötig einschränken. Die Daten müssen jetzt noch im Detail ausgewertet und wissenschaftlich publiziert werden, bevor endgültige Aussagen getroffen werden können. „Auf jeden Fall werden sie helfen, Ozeanmodelle zu verbessern und unsere Vorstellungen vom Verbleib des Plastiks in den Meeren zu präzisieren“, resümiert Tanhua.
Nach dem Erfolg beim Volvo Ocean Race plant der Meereschemiker, mehr Segelboote mit Sensoren auszustatten. „Wir führen schon Gespräche mit weiteren Weltumseglern und vielleicht sind wir auch beim nächsten Volvo Ocean Race wieder dabei“, sagt er.
(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 02.07.2018 – NPO)