Genetik

Amerika: Die ersten Hunde kamen aus Sibirien

Urpopulation wurde später durch europäische Vierbeiner verdrängt

Von den ersten amerikanischen Hunden ist im Erbgut heutiger Vierbeiner fast nichts mehr zu finden. © Fotorince/ iStock.com

Verlorenes Erbe: Die ersten Hunde, die mit den menschlichen Siedlern nach Amerika kamen, haben im Erbgut heutiger Vierbeiner fast keine Spuren hinterlassen. Eine Studie zeigt: Diese frühen amerikanischen Hunde stammten von sibirischen Schlittenhunden ab und waren tausende Jahre lang auf dem gesamten Kontinent verbreitet – bis die Europäer kamen. Denn mit der Kolonialisierung verschwanden diese Vierbeiner nach und nach und wurden von europäischen Rassen verdrängt.

Der Hund begleitet uns Menschen schon seit Jahrtausenden – so viel ist klar. Doch wo und wann begannen unsere Vorfahren damit, Wölfe zu zähmen und wie verbreiteten sich die ersten domestizierten Hunde über die unterschiedlichen Teile der Erde? Inzwischen wissen Forscher, dass unsere sprichwörtlich besten Freunde mindestens zweimal domestiziert wurden: einmal in Asien und einmal in Europa.

Offen blieb bisher allerdings die Frage, ob es womöglich noch mehr solcher Domestikationsereignisse gab. Stammten etwa die ersten Hunde in Amerika von Vierbeinern aus anderen Kontinenten ab oder gingen sie unabhängig davon aus nordamerikanischen Wölfen hervor? Wissenschaftler um Máire Ní Leathlobhair von der University of Cambridge sind dem Geheimnis um den Ursprung dieser Hunde nun auf die Spur gekommen.

Grab eines Hundes © Illinois State Archaeology Survey

Ursprung in Sibirien

Für ihre Studie untersuchten sie DNA-Proben archäologischer Funde von Vierbeinern aus Amerika und Sibirien und verglichen diese Daten außerdem mit dem Erbgut heutiger Hunde. Dabei zeigte sich: Die ersten amerikanischen Hunde wurden offenbar nicht in der Neuen Welt domestiziert. Stattdessen stammten sie von einer Schlittenhunde-Rasse aus dem östlichen Sibirien ab.

Wahrscheinlich folgten diese Tiere vor rund 10.000 bis 9.000 Jahren ihren menschlichen Besitzern von Asien auf den amerikanischen Kontinent, wie die Genvergleiche offenbarten – möglicherweise über die Beringstraße. Damit ist nun auch klar, dass die frühen menschlichen Siedler noch keine Hunde in die Neue Welt mitbrachten. Die ersten domestizierten Vierbeiner kamen erst rund 6.000 Jahre nach den ersten Menschen dort an.

Die Karte zeigt die Fundorte und das Alter der untersuchten Hunde-Skelette. © Julie McMahon/ Argus McNab

Plötzlich verschwunden

Nach ihrer Ankunft verbreiteten sich die Vierbeiner gemeinsam mit „ihren“ Menschen in ganz Amerika. Mehrere tausend Jahre lang lassen sich genetische Spuren dieser ersten amerikanischen Hunde auf dem Kontinent nachweisen – doch dann plötzlich verlieren sie sich. Dieses seltsame Verschwinden fällt ziemlich genau mit einem einschneidenden Ereignis der amerikanischen Geschichte zusammen, wie die Forscher herausfanden: der Ankunft der Europäer.

„Damals muss etwas Katastrophales passiert sein und es hat wahrscheinlich mit der europäischen Kolonialisierung zu tun“, sagt Mitautor Laurent Frantz von der University of Oxford. Was genau ab dem 15. Jahrhundert dazu führte, dass die amerikanischen Hunde nach und nach verschwanden, lässt sich nicht belegen.

Einführung neuer Rassen

Eine mögliche Erklärung ist aber, dass eingeschleppte Krankheiten das Ende für diese Vierbeiner bedeuteten oder dass die europäischen Siedler die Zucht dieser Hunde schlicht nicht förderten. Denn sie hatten ja ihre eigenen Hunde. „Wir wissen jetzt: Moderne amerikanische Hunderassen wie Labrador und Chihuahua sind zum größten Teil Nachfahren eurasischer Rassen, die erst zwischen dem 15. und dem 20. Jahrhundert in Amerika eingeführt wurden“, berichtet Koautorin Angela Perri von der Durham University.

„Diese Ergebnisse demonstrieren, dass sich die Geschichte der Menschen in der Geschichte ihrer domestizierten Tiere widerspiegelt“, konstatiert Frantz. „Die Menschen in Europa und Amerika waren einst genetisch stark verschieden und das galt auch für ihre Hunde. Doch so wie die indigenen Völker von den europäischen Kolonisten verdrängt wurden, passierte dasselbe mit den Vierbeinern.“

Ein Erbe bleibt

Das Erbe der ersten amerikanischen Vierbeiner ist allerdings nicht ganz verloren: Kurioserweise lebt es in einer weltweit unter Hunden verbreiteten, ansteckenden Tumorerkrankung weiter. Dieser Tumor weist genetische Signaturen der Ur-Hundepopulation auf. Er stammt den Ergebnissen zufolge von einem amerikanischen Vierbeiner ab, der vor rund 8.000 Jahren lebte.

„Es ist eine unglaubliche Vorstellung, dass der einzige Überlebende einer verlorenen Hundelinie möglicherweise ein Tumor ist, der sich wie eine Infektion unter den Tieren verbreiten kann“, sagt Leathlobhair. „Zwar ist die DNA dieses Krebses im Laufe der Jahre mutiert. Doch trotzdem ist sein Erbgut im Prinzip noch dasselbe wie das des ursprünglichen Gründungshundes.“ (Science, 2018; doi: 10.1126/science.aao4776)

(AAS/ University of Illinois at Urbana-Champaign/ University of Oxford, 06.07.2018 – DAL)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Karies, Pest und Knochenbrüche - Was Skelette über Leben und Sterben in alter Zeit verraten Von Joachim Wahl und Albert Zink

Tierisch intelligent - Von schlauen Katzen und sprechenden Affen von Immanuel Birmelin

Top-Clicks der Woche