Blick ins Krebs-Genom: Forscher haben das Erbgut einer besonders aggressiven Brustkrebsform analysiert – und dabei 20.000 strukturelle Veränderungen an der DNA entdeckt. Ihre Analyse offenbart, wie komplex die Erbgut-Schädigungen bei dieser Tumorform sind und welch ein Chaos sie in den betroffenen Zellen anrichten. Überhaupt erst möglich gemacht hat den detaillierten Blick auf das Krebs-Genom ein neuartiges Sequenzierungsverfahren, wie das Team berichtet.
Krebs gilt als eine Krankheit der Gene. Kommt es im Laufe des Lebens zu Schäden am Erbgut und können diese nicht von der Zelle repariert werden, entstehen bleibende Genmutationen. Solche Veränderungen der DNA fördern mitunter ein unkontrolliertes Wachstum von Zellen – und damit die Entstehung von Tumoren. Mediziner kennen inzwischen hunderte Gene, die im Falle einer Mutation Krebs begünstigen können.
20.000 Veränderungen
Die bei einer besonders aggressiven Form von Brustkrebs im Genom auftretenden Veränderungen haben sich nun Maria Nattestad von der Johns Hopkins University in Baltimore und ihre Kollegen genauer angesehen: Beim sogenannten HER2-positiven Brustkrebs bilden die Krebszellen übermäßig viele HER2-Proteine auf ihrer Oberfläche, wichtige Andockstellen für Wachstumsfaktoren. Dies ist bei rund 20 Prozent aller Brustkrebspatientinnen der Fall und führt dazu, dass der Tumor schneller wächst.
Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler HER2-positive Zelllinien mithilfe eines neuartigen Sequenzierungsverfahrens, der sogenannten Long-read-Sequenzierung. Dabei identifizierten sie 20.000 strukturelle Veränderungen der DNA, die beim aggressiven Brustkrebs auftreten – ein Rekord. „Die meisten dieser Variationen waren bisher nicht bekannt“, berichtet Nattestad. Erst dank der neuen Methode sei das wahre Ausmaß des Chaos im Krebs-Erbgut sichtbar geworden.