Mysteriöser Wolkenschwund: Ein neu entdecktes Wetterphänomen vor der Südwestküste Afrikas gibt Forschern Rätsel auf. Dort kommt es immer wieder zu einem abrupten, verblüffend geradlinigen Wolkenschwund – wie abgeschnitten erscheint die Grenze dieser Auflösungszone. Der klare Himmel frisst sich dabei in einer hunderte Kilometer lange Linie nach Westen in die Wolkendecke vor. Was hinter diesem „Wolkenfraß“ steckt, darüber können die Wissenschaftler bisher nur spekulieren.
Für die Westküste Afrikas, aber auch das subtropische Amerika sind sie typisch: ausgedehnte Felder tiefliegender Stratocumulus-Wolken, die das Meer in Küstennähe bedecken. „Diese großen, persistierenden Meereswolken werden oft die ‚Kühlschränke der Erde‘ genannt, weil sie viel Sonnenstrahlung ins All hinaus reflektieren“, erklären Sandra Yuter von der North Carolina State University und ihre Kollegen.
Geradliniger, abrupter Schwund
Doch was die Forscher nun bei diesen Wolkenfeldern beobachtet haben, gibt ihnen Rätsel auf. Entdeckt haben sie das Phänomen, als sie Satellitenbilder der Wolkenentwicklung vor der Küste Namibias und Angolas über fünf Jahre hinweg auswerteten. Dabei beobachteten sie immer wieder, wie sich der Rand der Wolkenfelder abrupt aufklarte. Die scharfe, wie abgeschnitten wirkende Wolkengrenze schob sich dabei immer weiter nach Westen vor.
„Das Ungewöhnliche in diesem Fall ist, dass diese Wolkenerosion entlang einer geordneten Linie über hunderte von Kilometern abläuft – als wenn eine Jalousie weggezogen wird“, berichtet Yuter. An einigen Tagen erstreckte sich diese Zone des Wolkenfraßes über mehr als tausend Kilometer in Nord-Südrichtung. „Von dieser Entdeckung waren wir ziemlich überrascht“, sagt Yuter.
Rasendes Tempo
Erstaunlich ist auch das relativ hohe Tempo dieses Wolkenfraßes: Entlang der Wolkengrenze kann ein Wolkenstreifen von rund zehn Kilometern Breite innerhalb von weniger als 15 Minuten verschwinden. „Im Laufe eines Tages kann diese Wolkenerosion so eine Fläche aufklaren, die mehr als doppelt so groß ist wie Kalifornien“, erklärt Yuter. Gleichzeitig frisst sich der klare Himmel dadurch mit acht bis zwölf Metern pro Sekunde nach Westen vor – so schnell wie ein Weltklasse-Sprinter.
Besonders häufig beobachteten die Forscher dieses mysteriöse Phänomen in der Zeit von März bis Mai. „Der Höhepunkt liegt im Mai mit rund 20 Ereignissen pro Monat“, berichten sie. Grundsätzlich aber tritt dieser Wolkenschwund das gesamte Jahr hindurch auf. Auffällig auch: Am Wolkenrand sind manchmal wellenartige schmale Bänder erkennbar, die parallel zur Wolkengrenze liegen.
Wind und Sonne scheiden aus
„Diese Art der Wolkenerosion ist noch nie zuvor dokumentiert worden“, sagt Yuter. „Wie dies passiert, ist noch immer ein Rätsel.“ Gängige Mechanismen, wie beispielsweise starke Winde, können diesen seltsam koordinierten Wolkenschwund nicht erklären. Denn die Winde in dieser Region wehen vorwiegend aus Süden und Südosten. „Die Grenze der Wolkenerosion verläuft fast senkrecht zu den vorherrschenden Winden in dieser Höhe“, berichten die Forscher.
Seltsam auch: Der Wolkenfraß beginnt immer gegen Mitternacht. Wäre jedoch die starke Sonneneinstrahlung oder Hitze für die Auflösung der Wolken verantwortlich, dürfte der Schwund erst tagsüber einsetzen. „Das Verschwinden der Wolken in der Nacht deutet darauf hin, dass hier keine kurzwelligen Strahlungseffekte im Spiel sind“, konstatieren Yuter und ihre Kollegen.
Sind Schwerewellen schuld?
Was aber steckt dann hinter diesem rapiden Wolkenfraß? Bisher können die Forscher darüber nur spekulieren. Ihr Verdacht: Möglicherweise spielen atmosphärische Schwerewellen eine Rolle. „Diese Wellen erzeugen eine Auf-und-Ab-Bewegung in der Atmosphäre“, erklärt Yuter. Solche großräumigen Schwingungen der Luft treten oft an der Leeseite von Bergen oder Inseln auf, wurden aber auch schon in der Antarktis, in der oberen Atmosphäre und auf der Venus beobachtet.
Im Falle des mysteriösen Wolkenschwunds vor Afrika vermuten die Forscher, dass nächtliche Luftströmungen vom Land zum Meer diese Schwerewellen erzeugen. „Diese Offshore-Winde interagieren mit stabilen Luftmassen über dem Ozean und produzieren so diese Wellen“, erklärt Yuter.
Rätsel bleibt
Das Problem jedoch: „Wie diese Wellen die Wolkenerosion bewirken, entzieht sich einer einfachen Erklärung“, räumen die Wissenschaftler ein. Denn nach den bekannten Mechanismen müsste das Aufklaren dann passieren, wenn die Wolken durch eine solche Schwerewelle nach unten gedrückt werden – und es müsste reversibel sein.
Im Falle des jetzt beobachteten Wolkenfraßes ist dies aber nicht der Fall: „Die Wolken erodieren in irreversibler Weise“, so die Forscher. Welcher Mechanismus die Stratocumuluswolken vor Afrika immer wieder so abrupt verschwinden lässt, bleibt daher vorerst offen. (Science, 2018; doi: 10.1126/science.aar5836)
(North Carolina State University, University of Kansas, 20.07.2018 – NPO)