Technik

Neue Fasern für „smarte“ Kleidung

Integration in Kunstfasern macht Elektronik wasserfest, robust und vielseitig einsetzbar

Diese Leuchtdioden sind nicht naschträglich in den Stoff eingebaut, sondern sitzen in den Kunstfasern des Textils selbst. © Greg Hren/ Michael Rein, Yoel Fink

Smarte Textilien leicht gemacht: Forscher haben eine neue Methode entwickelt, um Elektronik in Kunstfasern zu integrieren. Dabei werden Leuchtdioden, Leitungen und Sensoren vor dem Ausziehen der Kunstfasern in die Rohlinge eingesetzt. Der Vorteil: Die Elektronik kann auf große Längen ausgezogen werden, ist robust genug für das Verweben und sogar absolut wasserfest. Sogar die Waschmaschine überstehen die neuartigen Elektronik-Textilien, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Ob farbig leuchtende T-Shirts, sensorbestückte Jacken oder andere elektronisch „aufgerüstete“ Kleidungsstücke – schon länger suchen Forscher nach Methoden, um Elektronik in Kleidung zu integrieren. Erste Versuche mit eingewebten Aluminiumdrähten, gewundenen Kupferleitungen oder Leitungen, die mit einem organischen Lichtemitter beschichtet sind, gab es bereits. Sogar hauchdünne, flexible organische Solarzellen für Textilgewebe gibt es schon.

Wie kommt die Elektronik in die Faser?

Das Problem jedoch: Die meisten dieser „smarten“ Textilien sind bisher wenig robust, nur bedingt wasserfest und die Bauteile müssen nachträglich in das Gewebe eingebracht werden – das bedeutet mehr Aufwand. Eine Möglichkeit, beispielsweise Leuchtdioden oder Fotosensoren direkt in synthetische Textilfasern zu integrieren, fehlte bisher weitgehend – auch weil diese Kunstfasern unter zu großer Hitze zu Fäden ausgezogen werden.

Jetzt jedoch haben Michael Rein vom Massachusetts Institute of Technology und sein Team eine Lösung für dieses Problem entwickelt. Bei ihrer Technik werden die Elektronikbauteile bereits in die Rohlinge für die Kunstfasern eingesetzt. Aus diesen sogenannten Preforms – dünnen Stäben aus Polymermaterial – werden in den Textilfabriken unter Hitzeeinwirkung die kilometerlangen, dünnen Kunstfasern gezogen.

Die neuartigen Elektronikfasern lassn sidch problemlos zu Stoff verweben - und sind robust und wasserfest. © Greg Hren/ Michael Rein, Yoel Fink

Leuchtdioden, Sensoren und vieles mehr

Für die „smarten“ Kunstfasern haben die Forscher zwei haarfeine Kupfer- oder Wolframleitungen in zwei getrennte Längskanäle in der Preform eingeführt. Dazwischen setzten sie in engen Abständen Dutzende von Leuchtdioden oder Dioden-Fotosensoren. „Wenn nun die Preform erhitzt und zur Faser ausgezogen wird, nähern sich durch das Dünnerwerden der Faser die Leiterbahnen den Dioden an, bis sie elektrisch in Kontakt sind“, erklären Rein und seine Kollegen. „Das Resultat sind hunderte von Dioden, die über parallele Leitungen im Inneren einer einzigen Faser verbunden sind.“

Auf diese Weise lassen sich im Rahmen des ganz normalen Faserziehens wahlweise Sensorfasern, Leuchtfasern und weitere Funktionsfasern produzieren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden, die nur kurze Faserlängen erlauben, könne man mit diesem Verfahren mehrere Kilometer Funktionsfaser aus einer Preform erzeugen, erklären die Forscher. Diese Fasern lassen sich dann ganz normal zu Synthetikstoffen und Kleidung verweben.

„Damit haben wir eine ganz neue Möglichkeit, um hochleistungsfähige Halbleiter-Bauteile in Textilfasern zu integrieren“, konstatieren die Wissenschaftler.

Wassermusik im Aquarium

Der Clou dabei: Weil die Elektronik komplett vom Polymer der Kunstfaser eingeschlossen ist, sind diese Elektronikfasern sehr robust und absolut wasserdicht, wie die Forscher berichten. In Tests überstanden die Elektroniktextilien wochenlanges Untertauchen und sogar zehn Waschgänge in der Waschmaschine ohne Schäden oder Funktionseinbußen.

Und die „smarten“ Fasern funktionieren sogar unter Wasser: In einem Test legten die Forscher einige Kunstfasern mit Fotosensoren in ein Aquarium. Von außen übermittelte eine Lampe die in optische Signale übersetzte Melodie von Händels „Wassermusik“. Und tatsächlich: Die Sensorfasern im Wasser registrierten die Lichtsignale und wandelten sie ihrerseits wieder in elektrische Signale um, die von externen Lautsprechern als Musik ausgesendet wurden.

Wenn Hemden kommunizieren

Aber auch in normaler Kleidung könnte die neuartigen Elektronik-Fasern nützliche Dienste leisten, wie ein Test mit zwei „smarten“ Hemden belegte. In diesen waren jeweils eine Faser mit Leuchtdioden und eine mit Fotosensoren verwebt. Als nun die Leuchtfasern Lichtsignale emittierten, empfingen die Sensorfaser diese Signale – noch aus einem Meter Entfernung. Das zeigt: Mit dieser Technik ist auch eine Kommunikation von einem „smarten“ Textil zum anderen möglich.

Dass diese „intelligenten“ Fasern auch für medizinische Funktionstextilien geeignet sind, zeigte ein weiteres Experiment. In diesem kombinierten die Forscher eine Leucht- und eine Sensorfaser zu einem Pulsmesser: Legte die Versuchsperson den Finger auf beide Fasern, erzeugte der wechselnde Blutfluss in den Adern Helligkeitsschwankungen des Lichts, das die Sensorfaser registrierte.

„Wir glauben, dass diese Technologie ganz neue Fortschritte im Textil- und Bekleidungsbereich, in der Telekommunikation, aber auch in Medizin und Lebenswissenschaften ermöglichen wird, konstatieren Rein und seine Kollegen. Sie sind bereits dabei, ihr Verfahren für den industriellen Maßstab zu optimieren und stehen schon in Verhandlungen mit Textilherstellern. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0390-x)

(Massachusetts Institute of Technology, 09.08.2018 – NPO)

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