
Infarotkarten der Stratosphäre über dem Saturn-Nordpol. Besonders gut ist neuentdeckte Höhen-Hexagon im Oktober 2014 zu erkennnen. © NASA/JPL-Caltech/ University of Leicester/ GSFC/ L.N. Fletcher et al. 2018
Ein zweites Hexagon
Die Auswertungen enthüllen: Hunderte Kilometer über dem Wolken-Hexagon existiert etwa seit dem Jahr 2014 ein weiterer polarer Strömungswirbel – und auch er hat die Form eines Sechsecks. Die im Infrarot sichtbaren Temperatur-Unterschiede in der Stratosphäre zeigten eine deutlich sichtbare hexagonale Strömungsstruktur. „Die Kanten dieses neuentdeckten Vortex stimmten mit denen des berühmten Wolkenhexagons weiter untern in der Saturnatmosphäre überein“, berichtet Fletcher.
Das Überraschende daran: „Wir hatten zwar durchaus erwartet, eine Art polaren Vortex zu sehen, seine Form aber ist überraschend“, so Fletcher. „Denn entweder haben sich am Nordpol spontan zwei identische Hexagons in unterschiedlichen Höhen gebildet oder aber es gibt dort eine sechseckige Strömung, die sich über hunderte Höhenkilometer hinweg erstreckt.“
Sind es ein oder zwei Hexagons?
Genau das aber galt bisher als nahezu unmöglich, wie die Forscher erklären. Weil die Windverhältnisse sich in den verschiedenen Schichten der Saturnatmosphäre stark verändern, dürfte es keine durchgehenden Strukturen geben. Auch Strömungswellen wie im Wolkenhexagon können sich deshalb eigentlich nicht bis in die Saturn-Stratosphäre ausbreiten – sie müssten auf die Wolkenschicht begrenzt bleiben.
Aber auch eine unabhängige Entstehung beider Hexagons erscheint unwahrscheinlich: „Dann müsste man eine Erklärung dafür finden, warum das Stratosphären-Hexagon die gleiche Wellenzahl, Amplitude und Phasengeschwindigkeit aufweist wie sein troposphärisches Gegenstück“, sagen die Wissenschaftler. „Eine so stabile Angleichung würde irgendeine Form der dynamischen Kopplung zwischen diesen beiden Höhenbereichen erfordern.“ Wie diese aussehen könnte, ist aber noch unbekannt.
Das Rätsel bleibt
Noch gibt das neuentdeckte Höhen-Hexagon den Forschern daher Rätsel auf. „Wir bräuchten einfach mehr Daten“, sagt Fletcher. „Es ist wirklich frustrierend, dass wir das stratosphärische Hexagon erst am Ende von Cassinis Missionszeit entdeckt haben.“ Denn seitdem Cassini im September 2017 kontrolliert in den Saturn gestürzt wurde, gibt es im Saturnsystem keine Raumsonde mehr.
Vorerst bleibt damit unklar, ob es sich um ein oder zwei Hexagons am Saturn-Nordpol handelt. Und auch die dahinterstehenden Mechanismen sind noch unbekannt. Rätselhaft ist bisher ebenfalls, warum der Nordpol gleich zwei Hexagons aufweist, während es am Südpol selbst im Südsommer keine Hinweise auf eine eckige Polströmung gab – weder in der Wolkenschicht noch in der Stratosphäre.
Die Planetenforscher hoffen nun, die rätselhaften Sechseck-Wirbel am Saturnpol wenigsten mit Teleskopen wie dem Hubble-Weltraumteleskop oder dem künftigen James-Webb-Teleskop weiter im Auge behalten zu können. (Nature Communications, 2018; doi: 10.1038/s41467-018-06017-3)
(ESA, NASA, 07.09.2018 – NPO)
7. September 2018