Erst lachen, dann nachdenken: Gestern Abend wurden die diesjährigen Ig-Nobelpreise verliehen – die Auszeichnung für skurrile, lustige, aber dennoch seriöse Forschung. Preise gab es unter anderem für Studien zum Achterbahnfahren gegen Nierensteine, Voodoo gegen tyrannische Chefs und Spucke als Reinigungsmittel. Ebenfalls preiswürdig war für die Jury die Erkenntnis, dass sich der Kannibalismus für unsere Vorfahren zumindest in puncto Nahrhaftigkeit nicht lohnte.
Sie bringen Menschen erst zum Lachen, dann zum Nachdenken: Jedes Jahr im September werden in den USA die Ig-Nobelpreise verliehen. Mit ihnen werden Forschende ausgezeichnet, die sich der ungewöhnlichen, skurrilen und auch lustigen Seiten der Wissenschaft angenommen haben – aber mit durchaus seriösen Methoden und dem Ziel eines realen Wissensgewinns. Verliehen wird der Preis an der Harvard University in einer Zeremonie, bei der echte Nobelpreisträger die Preise übergeben.
Die Vergabe der Ig-Nobelpreise 2018 wurde umrahmt durch eine Mini-Oper sowie ein Konzert für Tesla-Spule und Violine, Ultrakurzvorträge von Forschern, die ihre Arbeiten in 24 Sekunden und sieben Wörtern erklären und Papierflieger-Würfen aus dem Publikum.
Achterbahnfahren gegen Nierensteine
In der Kategorie Medizin werden die US-Forscher Marc Mitchell und David Wartinger für ihre Untersuchung zu Achterbahnfahrten als Therapie gegen Nierensteine. Dafür produzierten sie im 3D-Drucker Nierenmodelle samt Steinen und fuhren mit diesen auf verschiedenen Plätzen der Achterbahnwagen. Ihre Studie ergab: Sitzt man in dem Wagen hinten, besteht immerhin eine 64-prozentige Chance dafür, dass der Nierenstein freigerüttelt und ausgeschieden wird. Auf einem der vorderen Plätze sinkt die Chance dagegen auf nur noch 17 Prozent.
Einen weiteren Ig-Nobelpreis gab es für drei Reproduktionsmediziner, die herausgefunden haben, dass sich ein Ring aus zusammengeklebten Briefmarken perfekt als Anzeiger für nächtliche Erektionen bei Männern eignet. Sind die Marken am Morgen zerrissen, ist mit dem „besten Stück“ alles in Ordnung. Den Ig- Preis für medizinische Bildung bekam der Japaner Akira Horiuchi, der ausgetestet hat, ob man auch bei sich selbst eine Darmspiegelung durchführen kann.
Spucke als Reinigungsmittel und Kannibalen-Diät
Mit dem Chemie-Ig-Nobelpreis ausgezeichnet wurde ein Forscherteam aus Portugal, das die Reinigungskraft von menschlicher Spucke untersucht hat. „Die Nutzung von Speichel zum Säubern schmutziger Oberflächen ist schon seit vielen Generationen intuitive Praxis“, schreiben sie. Zu Recht, wie ihre Studie belegte: Spucke den Dreckbeleg auf alten Statuen effektiver als alkoholbasierte Putzmittel.
Den Ig-Preis für Ernährung bekam der Forscher James Cole für seine Studie zum Nährstoffgehalt einer kannibalistischen Ernährung. Er stellte fest, dass sich der Verzehr von Menschenfleisch für unsere Vorfahren zumindest in puncto Nahrhaftigkeit nicht lohnte: Es liefert weniger Kalorien als das Fleisch der meisten anderen Tiere.
In der Kategorie Biologie erhielt ein internationales Team den Preis für ein Experiment mit Weinexperten. Sie testeten, ob diese am Geruch und Geschmack des Weines erkennen können, ob eine Fruchtfliege im Glas schwimmt – mit Erfolg. Den Ig-Nobelpreis für Anthropologie erhielten Wissenschaftler, die das Nachahmungsverhalten von Menschen und Schimpansen im Zoo untersucht hatten Ihr Ergebnis: Beide Spezies stehen sich darin in Häufigkeit und Qualität in nichts nach.
Bedienungsanleitungen, Road-Rage und Voodoo
Aus dem Alltag stammt das Forschungsthema der Ig-Preisträger für Literatur: Thea Blackler und ihr Team haben in ihrer Studie bestätigt, dass die Mehrheit der Menschen selbst bei komplexen Produkten und Geräten weder die Bedienungsanleitung liest, noch alle angebotenen Features dieser Geräte nutzt. Ihr Fazit: „Überfrachtung der Geräte und der Zwang, die Anleitung zu konsultieren, führt zu negativen emotionalen Erfahrungen.“
Ein auch bei uns aktuelles Problem haben die mit dem Ig-Nobelpreis für Frieden ausgezeichneten Wissenschaftler untersucht: Schimpfen und Aggressionen im Straßenverkehr. Francisco Alonso und seine Kollegen wollten wissen, wie häufig und unter welchen Bedingungen dies vorkommt und welche Risiken dies für den Verkehr mit sich bringt.
Um Aggression ging es auch in der Studie, die mit dem Ig-Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet wurde. Lindie Liang und ihre Kollegen untersuchten, ob das Nadeln von Voodoo-Puppen Angestellten hilft, ihre Wut gegen tyrannische Chefs abzureagieren. Das Ergebnis: Voodoo-Puppen sind dafür durchaus effektiv und können zumindest in Teilen die negativen Gefühle der Betroffenen mindern.
(Improbable Research, 14.09.2018 – NPO)