Ökologie

Neue Schnecken-Art in der Ostsee entdeckt

Eingeschleppte Spezies stammt ursprünglich aus Nordamerika

Diese seltsamen Gebilde sind Eigelege der eingeschleppten Schnecke Haminoea solitaria. © Universität Rostock/ Wolfgang Wranik

Invasiver Neuankömmling: Forscher haben mal wieder eine neu eingeschleppte Tierart in der Ostsee entdeckt. Bei der fremden Spezies handelt es sich um eine eigentlich in Nordamerika beheimatete Kopfschildschnecke. Hunderte Eigelege dieser Tiere sind zurzeit an der Küste zwischen Wismar und Travemünde zu sehen, wie die Meeresbiologen berichten. Welche Folgen ihre Ausbreitung auf die heimischen Ökosysteme hat, ist bisher noch völlig unklar.

Ob Pazifische Auster, Waschbär oder Beifuß-Ambrosie: Längst breiten sich viele Tiere und Pflanzen dort aus, wo sie zuvor nicht heimisch waren – auch in der Ostsee. „Die Ostsee ist ein Hotspot der Arteninvasion. Jedes Jahr gibt es zwei bis drei neue Spezies, die hier zu finden sind“, sagt Inna Sokolova von der Universität Rostock. Die meisten dieser gebietsfremden Arten kommen demnach durch die Schifffahrt in das Binnenmeer, zuletzt etwa die Qualle Blackfordia virginica.

Tausende Larven

Sokolova und ihre Kollegen haben nun einen weiteren solchen Neuankömmling entdeckt: die Kopfschildschnecke Haminoea solitaria. Die eigentlich an der Atlantikküste von Kanada bis Florida heimische Spezies hat sich augenscheinlich in den Gewässern zwischen Wismar und Travemünde breitgemacht. Ihre Anwesenheit lässt sich dort dieser Tage vor allem an verräterischen Eigelegen erkennen.

Im Flachwasser sind auf sandig-schlickigen Bereichen des Meeresbodens etwa zwei Zentimeter große gallertige Kugeln zu sehen, die wie kleine Ballons über einen Fortsatz am Untergrund befestigt sind – an einigen Stellen sind es bis zu 300 pro Quadratmeter. In jeder dieser kleinen Kugeln entwickeln sich 2.000 bis 3.000 Larven, wie die Forscher berichten. Diese schlüpfen nach etwa zwei Wochen und leben zunächst im freien Wasser, um als kleine Schnecken schließlich auf den Meeresboden zurückzukehren.

Ausgewachsene Tiere werden bis zu einen Zentimeter groß und haben zahlreiche dunkle Punkte auf ihrem Körper. © Universität Rostock/ Wolfgang Wranik

Intensive Schleimproduktion

Die Tiere selbst werden bis etwa einen Zentimeter groß und haben einen grün-gelblichen, mit zahlreichen dunklen Pigmentflecken versehenen Weichkörper. Doch obwohl sie an den Stellen der Eiablage in großer Zahl vorhanden sind, sieht man sie kaum. Denn die Schnecken leben eingegraben etwas unter der Oberfläche des Meeresbodens. „Das könnte ein Schutzeffekt sein, da die Tierchen nur ein sehr dünnes, blasenförmiges Gehäuse besitzen“, sagt Sokolovas Kollege Wolfgang Wranik.

Eine Besonderheit dieser Art ist ihre intensive Schleimproduktion. Sie führt dazu, dass sich ein schlauchartiger Schleimfilm über den gesamten Körper schiebt, der die Bewegungsmöglichkeit im Boden unterstützt und auch die Schnecke selbst vor Verschmutzung mit Sedimentpartikeln schützt. Die Nahrung der Tiere besteht vor allem aus Algen.

Bereits etabliert?

Wie die nordamerikanische Kopfschildschnecke in den Küstenbereich der Ostsee gelangt ist, ist den Wissenschaftlern zufolge noch unklar. Denkbar wären neben dem Eintrag von Larven im Ballastwasser von Schiffen auch der Transport durch Aquakultur oder der Handel mit marinen Produkten.

Sokolovas Team glaubt: Die neue Schnecke ist gekommen, um zu bleiben. Ihren Erkenntnissen nach ist es wahrscheinlich, dass sich die Art zumindest im südwestlichen Teil der Ostsee bereits etablieren konnte. Wie sie sich allerdings langfristig in die Küstenökosysteme einfügen wird und welche Auswirkungen dies auf heimische Arten hat, müssen längerfristige Studien erst noch ans Tageslicht bringen.

Noch viele offene Fragen

Bisher gibt es noch viele offene Fragen, wie die Forscher betonen. So haben die bisherigen Untersuchungen gezeigt, dass die Schnecken von Anfang August bis Ende Oktober ins Flachwasser kommen, um sich zu vermehren – doch was passiert danach? „Wo sie sich dann aufhalten, wissen wir noch nicht“, sagt Wranik. Bislang unbekannt sei auch die Salzgehalt-Toleranz der Tiere – ein Parameter, der für das Ausbreitungspotenzial der Art in der Ostsee von großer Bedeutung ist.

(Universität Rostock, 02.10.2018 – DAL)

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