Sonnensystem

Saturn: „Ringregen“ verblüfft Planetenforscher

Überraschend heftiger Einstrom organischer Moleküle in die Saturn-Atmosphäre

Im Schatten seiner Ringe: Das schiere Ausmaß und die Zusamensetzung des "Regens" von den inneren Ringen auf den Saturn verblüfft selbst die Forscher. © NASA/JPL-Caltech/ SSI

„Schmutzige“ Dusche: Der Saturn wird in jeder Sekunde mit einer wahren Sintflut an Wasser und organischen Molekülen bombardiert – durch „Regen“ von seinen inneren Ringen. Zehntausende Kilogramm Material prasseln in jeder Sekunde von den Ringen in die Saturn-Atmosphäre hinein, das ist weit mehr als bisher angenommen, wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Enthüllt wurde diese unerwartet heftige Materialdusche durch Daten der letzten Orbits der Raumsonde Cassini.

Die Ringe des Saturn faszinierten schon Galileo Galilei, denn der ferne Gasplanet ist von einem enormen, reich strukturierten Gürtel aus Eis- und Staubpartikeln umgeben. Vor allem die inneren Saturnringe stehen dabei in enger Wechselwirkung mit der oberen Atmosphäre ihres Planeten: Geleitet von den Magnetfeldlinien, „regnen“ fortwährend Teilchen aus den Ringen in die Gashülle des Saturn, wie Forscher vor einigen Jahren herausfanden.

Riskanter Flug durch die „Lücke“

Doch erst jetzt zeigt sich, woraus dieser „Ringregen“ besteht und wie viel Material dabei in die Saturn-Atmosphäre strömt. Die Daten dafür lieferten die finalen Orbits der NASA-Raumsonde Cassini, die zwischen April und September 2017 mehrfach durch die Lücke zwischen den innersten Saturnring und dem Planeten selbst hindurchflog – als erste Raumsonde überhaupt.

Die Daten, die Cassini bei diesen Flügen durch die „Lücke“ sammelte, haben nun drei Forscherteams ausgewertet – mit unerwarteten Ergebnissen. „Zwei Dinge haben mich besonders überrascht“, berichtet Thomas Cravens von der University of Kansas: „Das eine ist die chemische Komplexität des Ringregens: Wir dachten bisher, dass er fast nur aus Wasser bestehen würde. Das zweite ist die schiere Menge dieses Regens.“

Zwischen dem Saturn und seinem innersten Ring hindurch: Die letzte Mission der Raumsonde Cassini. © NASA/ JPL

Unerwartet viel Methan und Co

Wie die Cassinidaten belegen, enthält der Ringregen neben Wasser auch beträchtliche Mengen an Methan, Ammoniak, molekularem Stickstoff sowie Kohlenmonoxid und -dioxid. Weitere rund 37 Gewichtsprozent des Regens machten größere organische Verbindungen aus, so die Forscher. „Das Methan war jedoch eine besondere Überraschung – das hat keiner dort erwartet“, sagt Cravens.

Den Berechnungen der Forscher nach strömen in jeder Sekunde zwischen zehntausend und hunderttausend Quadrillionen Methanmoleküle aus dem Innenring in den Äquatorbereich des Saturn ein. „Dieser Einstrom prägt die Saturn-Ionosphäre, prägt ihre Zusammensetzung und verursacht beobachtbare Effekte“, so Cravens. „Offenbar sind die Eispartikel der inneren Ringe ziemlich stark mit organischem Material kontaminiert.“

Zehntausende Kilogramm pro Sekunde

Ähnlich verblüffend sind jedoch auch Ausmaß und Tempo, mit der der chemische Regen auf den Saturn niedergeht: „Das mit den organischen Verbindungen vermischte Wassereis fällt in größerer Menge aus den Ringen als gedacht – es sind zwischen 4.800 und 45.000 Kilogramm Material pro Sekunde“, berichtet Hunter Waite vom Southwest Research Institute. Diese Menge ist rund zehnfach höher als bislang in den Modellen prognostiziert.

Geladene Wassermoleküle strömen in Bögen von den Ringen in die obere Atmosphäre des Saturn. © NASA/JPL-Caltech/ Space Science Institute/ University of Leicester

Weil sich die inneren Ringe zudem schneller drehen als der Saturn selbst, bekommt der Ringregen noch zusätzlichen Schub mit auf den Weg. „Dieses Material regnet nicht einfach sanft hinab – es rast in die Saturn-Gashülle wie ein abstürzender Satellit in unsere Erdatmosphäre“, erklärt Cravens. „Dadurch tragen diese Teilchen auch eine beträchtliche Energie in die Saturn-Atmosphäre ein. Dies könnte die obere Atmosphäre des Planeten aufheizen und auch ihre Zusammensetzung verändern.“

Ringe schwinden früher

Konsequenzen haben diese neuen Erkenntnisse aber auch für unsere Sicht auf die Saturnringe: „Wegen dieser Daten haben wir nun die Lebensdauer der inneren Ringe verkürzt – sie verlieren viel mehr Material als wir dachten“, so Cravens. „Wenn es nicht nachgefüllt wird, verschwinden die Ringe relativ schnell.“ Die Forscher vermuten, dass der schmale innerste D-Ring immer wieder einmal neues Material von seinem äußeren Nachbarn, dem C-Ring erhält. Auch Einschläge von Kometen oder anderen größeren Materialbrocken könnten die Ringe wieder auffüllen.

Doch noch bleiben viele Fragen offen – und viele weitere tun sich auf, wie die Forscher betonen. „Was ist die Lebensdauer eines Rings? Und wie genau bekommt er Material-Nachschub?“, sagt Cravens. Unklar sei auch nach wie vor, woher die organische Kontamination der Saturnringe komme – ob noch aus der Urwolke des Sonnensystems oder sogar aus früherer Zeit. Der Ringplanet Saturn und sein „Hofstaat“ geben damit weiterhin einige Rätsel auf. (Science, 2018; doi: 10.1126/science.aat2382, doi: 10.1126/science.aat2236, doi: 10.1126/science.aat3185)

(Science, University of Kansas, Southwest Research Institute, 05.10.2018 – NPO)

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