Bruch im Eis: Der Pine-Island-Gletscher in der Westantarktis steht vor dem Abbruch eines riesigen Eisbergs. Satellitenbilder zeigen einen großen Riss, der bereits durch drei Viertel der Gletscherzunge zieht. Setzt sich der 30 Kilometer lange Bruch fort, könnte ein Eisberg von 300 Quadratkilometern Größe vom Gletscher abbrechen. Damit würde die Eisfront des am schnellsten strömenden Gletschers der Antarktis erneut um sechs Kilometer zurückweichen.
Der 250 Kilometer lange Pine-Island-Gletscher ist einer der größten und schnellsten Eisströme der Antarktis. Sein Einzugsgebiet umfasst zehn Prozent des Westantarktischen Eisschilds. Doch gerade dieser Gletscher gehört zu den Eisströmen, die immer stärker abtauen – möglicherweise ist seine Schmelze sogar schon unumkehrbar, wie Forscher vor einigen Jahren berichteten. In den letzten Jahren hat das vom Gletscher in die Amundsen-See hineinreichende Schelfeis immer wieder riesige Eisberge gekalbt, zuletzt im Jahr 2017.
30 Kilometer langer Riss
Jetzt bahnt sich offenbar ein neuer Eisberg-Abbruch an, wie Stef Lhermitte, Geoforscher an der Universität Delft, auf Twitter (@StefLhermitte) berichtet. In Satellitenaufnahmen des Pine-Island-Gletschers hat er vor wenigen Tagen einen bereits rund 30 Kilometer langen Riss in der Gletscherzunge entdeckt. „Das deutet auf das bevorstehende Kalben eines rund 300 Quadratkilometer großen Eisbergs hin“, berichtet der Forscher. Dieser Eisberg wäre damit noch größer als der des letzten Jahres.
Bis zur kompletten Abtrennung dieses Stücks fehlen nur noch zehn Kilometer. „Wenn dieser Bruch sich fortsetzt, könnte sich die Eisfront des Gletschers um weitere fünf bis sechs Kilometer zurückverlagern“, sagt Lhermitte. „Der Eisberg-Abbruch könnte nach B-44 im letzten Jahr das sechste große Kalben dieses Gletschers seit 2001 sein.“ Wann dies geschieht, ist noch ungewiss, Lhermitte schätzt aber, dass es in wenigen Wochen bis Monaten so weit sein wird.
Von unten angetaut
Der Riss im Gletscher hat seinen Ursprung in der Mitte des Eisschelfs, dort, wie die schwimmende Gletscherzunge mit dem wärmeren Wasser des Südpolarmeeres in Kontakt kommt. Bereits im letzten Jahre hatten Eisforscher festgestellt, dass tiefe Gräben am Grund der Amundsen-See das Meerwasser bis weit unter die Eisdecke leiten und so wie eine Fußbodenheizung die Gletscherschmelze vorantreiben.
Erst vor kurzem haben Glaziologen ermittelt, dass sich der Eisverlust in der Amundsen-See seit den 1990er Jahren fast verdreifacht hat. Besonders betroffen sind dabei der Pine-Island-Gletscher und der benachbarte Thwaites-Gletscher. Zwar ist es normal, dass Gletscher Eisberge kalben. Doch bei diesen Eisströmen häufen sich in den letzten Jahren die Abbrüche großer Eisflächen.
(Stef Lhermitte, NASA, 10.10.2018 – NPO)