Medizin

Wieso erkranken Große häufiger an Krebs?

Wie der Zusammenhang zwischen Körpergröße und Erkrankungsrisiko zustande kommt

Das Krebsrisiko wird auch von der Körpergröße beeinflusst. © Vitanovski/ iStock.com

Überraschendes Phänomen: Das individuelle Krebsrisiko wird auch von der Körpergröße beeinflusst – warum, hat ein Forscher nun untersucht. Demnach kommt dieser Effekt vor allem dadurch zustande, dass größere Menschen mehr Körperzellen besitzen. Die Studie bestätigt damit frühere Theorien, zeigt aber auch: Der Größenfaktor kommt nicht bei allen Krebsarten gleichermaßen zum Tragen.

Große Menschen erkranken häufiger an Krebs: Diesen überraschenden Zusammenhang offenbaren epidemiologische Daten immer wieder. Pro zehn Zentimeter mehr auf der Messlatte steigt das Erkrankungsrisiko demnach um rund zehn Prozent. Doch was steckt hinter diesem Phänomen? Eine mögliche Erklärung ist die Anzahl der Körperzellen. Denn mit zunehmender Körpergröße gibt es auch mehr Zellen – und je mehr Zellen sich teilen, desto mehr Möglichkeiten bieten sich für zufällige, krankmachende Mutationen.

Was an diesem Erklärungsansatz dran ist, hat Leonard Nunney von der University of California in Riverside nun näher untersucht. Dafür wertete der Wissenschaftler vier große Studien mit zehntausenden Teilnehmern aus, die das Auftreten von 23 unterschiedlichen Tumorerkrankungen bei Männern und Frauen dokumentiert hatten.

Hypothese bestätigt

In allen Untersuchungen waren Informationen zum Alter, Body-Mass-Index (BMI), Rauchen und weiteren Risikofaktoren erhoben worden, die das Krebsrisiko maßgeblich beeinflussen. Die Daten aus diesen Erhebungen testete Nunney gegen ein Krebsentstehungsmodell, welches die Zellzahl-Hypothese mitberücksichtigte. Würden die echten Patientendaten zu den Vorhersagen dieses Modells passen?

Die Auswertungen zeigten: Im Schnitt stieg das Krebsrisiko pro zehn Zentimeter Körpergröße um zwölf Prozent bei Frauen und um neun Prozent bei Männern. „Damit liegen die Ergebnisse dicht an den berechneten Erwartungen von 13 und elf Prozent“, schreibt Nunney. Grundsätzlich scheinen die Daten also die Zellzahl-Hypothese zu untermauern, wie der Forscher betont.

Ausnahme Melanome

Allerdings identifizierte er auch Abweichungen: Bei Melanomen beispielsweise war der Zusammenhang zwischen Körpergröße und Krebsrisiko zu stark, um allein durch die größere Anzahl an Zellen erklärt werden zu können. Möglicherweise könnte hier ein zweiter Einflussfaktor zum Tragen kommen – die Zellteilungsrate.

Nunney zufolge zeigen Studien, dass größere Menschen mehr des Wachstumsfaktors IGF-1 in sich tragen. Dieser Botenstoff regt nachweislich die Proliferation von Keratinozyten, Fibroblasten und anderen Hautzellen an – und könnte somit das Hautkrebsrisiko beeinflussen.

Überlagernde Umweltfaktoren

Fünf der 23 untersuchten Krebsarten schienen zudem nicht signifikant mit der Körpergröße zusammenzuhängen: Pankreas-, Speiseröhren-, Magen- und Mundkrebs sowie Gebärmutterhalskrebs. „Es ist möglich, dass die Zellzahl in diesen Geweben nicht mit der Körpergröße korreliert – doch das ist eher unwahrscheinlich“, schreibt Nunney dazu.

Naheliegender scheint seiner Ansicht nach folgende Erklärung: Diese Tumorerkrankungen werden stark von Umweltfaktoren beeinflusst. Sie hängen zum Beispiel mit falscher Ernährung oder im Fall von Gebärmutterhalskrebs mit Virusinfektionen zusammen. Der Effekt der Körpergröße könnte somit gewissermaßen von diesen Einflussgrößen überlagert werden.

Dafür sprechen auch Beobachtungen aus früheren Untersuchungen: Demnach scheint sich die Körpergröße bei Nichtrauchern weitaus stärker auf das Risiko für Lungenkrebs auszuwirken als bei Rauchern. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2018; doi: 10.1098/rspb.2018.1743)

(Royal Society, 24.10.2018 – DAL)

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