Klima

Extremsommer: Wie sieht die Zukunft aus?

Ein geringerer Aerosol-Ausstoß könnte die Zunahme von Hitzesommern vorübergehend bremsen

Riesige, stationäre Bögen: So sah der Jestream im Sommer 2018 vielerorts aus - die Folge waren Wetterextreme. © Ventusky.com

Überraschende Entdeckung: Wie häufig künftig Extremsommer wie 2018 vorkommen, hängt nicht nur vom Klimawandel ab – auch die Luftverschmutzung spielt dafür eine Rolle. Klimamodelle zeigen, dass die Kühlwirkung der ausgestoßenen Aerosole den Temperaturunterschied zwischen Arktis und gemäßigten Breiten schwächt – und das fördert langanhaltende Wetterextreme. Wird die Luft aber vor allem in Asien sauberer, könnte das die Zunahme von Extremsommern zumindest hinauszögern.

Der Sommer 2018 war ein Sommer der Superlative: In Deutschland und in weiten Teilen Europas, Nordamerikas und selbst der Arktis brachte er extreme Trockenheit und Hitze. Waldbrände, Dürren und Ernteausfälle waren die Folgen. Ursache für dieses Extremwetter sind die stagnierenden Wellenbewegungen des Jetstreams: Er bildet größere Nord-Süd-Bögen, die über Wochen fast auf der Stelle stehen bleiben.

Dadurch bleiben auch die Hoch- oder Tiefdruckgebiete nahezu stationär. „Wenn über Wochen in einer Region das Wetter gleich bleibt, dann können sonnige Tage zu einer schweren Hitzewelle werden und anhaltender Regen zu einer Überschwemmung“, erklärt Koautor Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung.

Angleichung der Temperaturzonen

Nach Ansicht der Klimaforscher ist für diese Stagnation der Jetstream-Wellen der Klimawandel mitverantwortlich: Weil sich die Arktis überproportional stark erwärmt, schwächt sich der Temperaturgradient zwischen Polen und Tropen ab – und damit der „Motor“ der atmosphärischen Wellenbewegung. Schon länger sagen Wissenschaftler daher eine Häufung solcher Quasi-Resonanter Amplifikationen (QRA) im Zuge der globalen Erwärmung voraus.

Wenn die Wellenbewegung des polaren Jetstreams stockt, sind oft Wetterxtreme die Folge. © NASA/GSFC

Im Sommer 2018 sei diese Klimafolge kaum mehr zu übersehen gewesen: „Sie spiegelte sich in Echtzeit auf unseren Fernsehschirmen und in den Zeitungsschlagzeilen wider: Als beispielloses, die gesamte Nordhalbkugel überziehendes Muster von extremen Überschwemmungen, Dürren, Hitzewellen und Waldbränden“, sagt Erstautor Michael Mann von der Pennsylvania State University.

„Fingerabdruck“ der Extreme

Das Problem jedoch: Solche Episoden eines stockenden Jetstreams lassen sich mit den globalen Klimamodellen nicht direkt vorhersagen – die atmosphärischen Auslöser dafür sind zu komplex. Wie häufig solche Ereignisse in Zukunft auftreten werden, blieb daher bislang unklar. Mann und sein Team haben jedoch kürzlich in den Klimamodellen eine Art „Fingerabdruck“ identifiziert, der eng mit dem jetstreambedingten Extremwetter verknüpft ist.

„Es gibt eine klare Signatur für die verschiedenen QRA-Ereignisse in den letzten Jahrzehnten“, erklären die Forscher. Demnach treten solche Windstaus im Jetstream immer dann häufig auf, wenn sich die Temperaturen von gemäßigten und polaren Breiten in besonderem Maße annähern. Auf Basis dieser Erkenntnis haben Mann und sein Team nun erstmals mehrere Klimamodelle genutzt, um die zukünftige Entwicklung der Jetstream-Blockaden vorherzusagen.

Aerosol-Ausstoß fördert Extremsommer

Das überraschende Ergebnis: Wie oft wir künftig solche Wetterextreme bekommen, hängt nicht nur von der globalen Erwärmung insgesamt und den Treibhausgas-Emissionen ab, sondern auch von einem weiteren Mitspieler im Klimasystem: den Aerosolen. Diese Schwebstoffe, darunter Schwefeldioxid, Feinstaub und Ruß, können in der Atmosphäre Teile des Sonnenlichts reflektieren und so kühlend auf das Klima wirken.

Diese Aerosol-Weltkarte zeigt Staub (rötlich) und Sulfat-Emissionen (weiß) - letztere wirken abkühlend. © NASA/ Goddard, William Putman

Dieser Effekt ist dort besonders stark, wo die meisten Aerosole ausgestoßen werden und damit die Luftverschmutzung am größten ist – in den mittleren Breiten. Wie die Forscher erklären, hat dies in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt, dass sich diese Zone der Erde weniger stark erwärmt hat als ohne die Aerosole der Fall gewesen wäre. Mit anderen Worten: Die Luftverschmutzung bremst die Erwärmung in unseren Breiten und verringert damit zusätzlich die Temperaturdifferenz zwischen Arktis und gemäßigter Zone. Das wiederum fördert die Stagnation der Jetstream-Wellen.

Luftreinhaltung als Bremse

Was nun bedeutet dies für die Zukunft? Den Prognosen von Mann und seinem Team zufolge wird die Häufigkeit solcher Extremwetter-Ereignisse in jedem Falle zunehmen. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte es zwischen 64 und 74 Prozent mehr Episoden mit stockendem Jetstream geben. „Bezogen auf die konkrete Anzahl der Ereignisse prognostizieren wir einen mittleren Anstieg von aktuell rund 7,5 Ereignissen pro Jahr auf elf Ereignisse pro Jahr“, berichten die Forscher.

Doch durch eine deutliche Verringerung des Aerosol-Ausstoßes könnte diese Häufung von Wetterextremen zumindest um einige Jahrzehnte verzögert werden. Denn vor allem in Asien ist die Luftverschmutzung in vielen Regionen noch sehr ausgeprägt. Wird hier für sauberere Luft gesorgt, würde der Abkühleffekt der Schwebstoffe wegfallen. Als Folge würde sich der Temperaturgradient zwischen der Arktis und den gemäßigten Breiten wieder verstärken – und damit auch der Faktor, der die Jetstream-Wellen antreibt.

Nur ein Aufschub

Allerdings: Wenn der Klimawandel nicht gleichzeitig durch mehr Klimaschutz gebremst wird, verschafft uns auch diese Maßnahme nur einen Aufschub, wie auch Markus Rex vom Alfred-Wegner-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in einem Kommentar betont: „Wenn die Maßnahmen zur Luftreinhaltung voll gegriffen haben, ist keine weitere Reduktion mehr möglich“, sagt er. „Die befürchtete Zunahme von Extremwetterlagen tritt dann trotzdem auf – nur etwas später.“

Ähnlich sieht es auch Michael Mann: „Die Zukunft liegt noch immer in unserer Hand, wenn es um gefährliche und schädigende Extremsommer geht“, betont der Klimaforscher. „Es ist nur eine Frage unseres Willens, den Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien schnell zu vollziehen.“ (Science Advances, 2018; doi: 10.1126/sciadv.aat3272)

(Penn State, 02.11.2018 – NPO)

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