Stellarer Methusalem: Astronomen haben einen der ältesten Sterne im Kosmos entdeckt. Der 13,5 Milliarden Jahre alte Rote Zwerg entstand vermutlich aus der ersten Sternengeneration nach dem Urknall. Überraschend dabei: Dieser uralte, metallarme Zwergstern liegt in unserer kosmischen Nachbarschaft – in der gleichen Ebene der Milchstraße wie unsere Sonne. Das könnte bedeuten, dass Teile unserer Galaxie weit älter sind als gedacht, wie die Forscher im „Astrophysical Journal“ berichten.
Als einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall die ersten Sterne entstanden, beendeten sie nicht nur das „dunkle Zeitalter“, sie schufen auch die ersten schwereren Elemente. Diese sogenannten Population-III-Sterne waren extrem massereich, aber sehr kurzlebig. Und auch die aus ihren Relikten hervorgehenden Sternengenerationen waren gängiger Theorie nach eher kurzlebige Riesen.
Fund in Doppelsternsystem
Umso überraschender ist nun die Entdeckung eines Sterns, der diese Vorstellungen komplett über den Haufen wirft. Aufgespürt haben ihn Kevin Schlaufman von der Johns Hopkins University in Baltimore und sein Team mit Hilfe des Gemini South Teleskops und des Magellan Clay Teleskops in Chile. Mit ihnen analysierten sie das Licht des Doppelsternsystems 2MASS J18082002–5104378.
Schon vor einigen Jahren hatten Astronomen festgestellt, dass der größere Stern dieses Systems sehr arm an schwereren Elementen ist, was auf ein hohes Alter hindeutet. Erst jetzt aber gelang es Schlaufman und seinem Team, den kleineren Partner genauer ins Visier zu nehmen. Wie sich zeigte, handelt es sich dabei um einen Roten Zwerg mit nur rund 14 Prozent der Sonnenmasse.
Extrem metallarm und uralt
Das Überraschende jedoch: Dieser stellare Winzling ist sogar noch metallärmer und damit älter als sein größerer Partner. Während unsere Sonne etwa so viele schwerere Elemente enthält wie 14 Jupiter, reicht es bei 2MASS J18082002–5104378 B gerade für einen Planeten von der Größe des Merkur, wie das Lichtspektrum des Roten Zwergs verriet. Er gehört damit zu den metallärmsten Sternen im Kosmos, wie die Forscher berichten.
Dieser Stern sei eine echte Rarität, sagt Schlaufman: „Er ist einer unter zehn Millionen“, so der Astronom. „Und er liefert uns wichtige Informationen über die erste Generation der Sterne.“ Denn nach Angaben der Astronomen könnte der kleine Rote Zwerg 13,5 Milliarden Jahre alt sein und damit vielleicht direkt aus der allerersten Generation von Sternen nach dem Urknall hervorgegangen sein.
Überraschend langlebig
Das Seltsame daran: Eigentlich hielt man es für fast unmöglich, dass Sterne aus der Zeit kurz nach dem Urknall so lange überdauern, denn der Theorie nach sollten sie alle kurzlebige Riesen sein. Der Rote Zwerg jedoch widerlegt dies nun und demonstriert, dass auch in der Frühzeit des Universums schon massearme, langlebige Zwergsterne gebildet wurden.
„Dieser Stern ist gut gealtert – er sieht heute genauso aus wie zur Zeit seiner Entstehung vor rund 13.5 Milliarden Jahren“, sagt Schlaufman. Genau das aber macht solche kleinen Methusalems so spannend: „Wenn unsere Schlussfolgerungen korrekt sind, dann könnten einige dieser massearmen Sterne eine Zusammensetzung haben, die der des Kosmos direkt nach dem Urknall entspricht“, so der Forscher. „Ein solches Objekt könnte sogar in unserer Galaxie existieren.“
In unserer galaktischen Nachbarschaft
Ungewöhnlich ist auch die Position dieses Uralt-Sterns: Er liegt nicht irgendwo im fernen All, sondern direkt in unserer kosmischen Nachbarschaft. Wie die Sonne kreist er innerhalb der sogenannten „dünnen“ Scheibe der Milchstraße um ihr Zentrum. Nach Ansicht der Astronomen könnte das ein Indiz dafür sein, dass auch Teile unserer galaktischen Umgebung mindestens drei Milliarden Jahre älter sein müssen als bisher angenommen.
Für die Astronomen ist die Entdeckung von 2MASS J18082002–5104378 B ein Ansporn, weiter auf die Suche zu gehen. Denn der Fund des uralten, langlebigen Zwergsterns weckt neue Hoffnung, dass vielleicht sogar Vertreter der allerersten Sternengeneration bis heute überlebt haben. „Beobachtungen wie diese ebnen uns den Weg, eines Tages vielleicht die lange gesuchten Sterne der ersten Generation zu finden“, sagt Schlaufman. (The Astrophysical Journal, 2018; doi: 10.3847/1538-4357/aadd97)
(Gemini Observatory, Johns Hopkins University, 06.11.2018 – NPO)