Stark belastet: Ackerboden in Europa ist häufig mit Pestiziden kontaminiert. Wie eine Analyse aus mehreren EU-Ländern offenbart, finden sich inzwischen in 80 Prozent der Bodenproben Rückstände dieser potenziell giftigen Mittel. Dabei lässt sich oftmals gleich ein ganzer Pestizid-Cocktail im Erdreich nachweisen. Wie sich diese Belastung auf das Ökosystem Boden und die darauf wachsenden Nahrungspflanzen auswirkt, ist den Forschern zufolge noch weitestgehend unklar.
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Der intensive Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft hat einen hohen Preis: Die für Mensch und Tier teils giftigen Rückstände dieser Mittel finden sich in vielen Gewässern, im Grundwasser und sogar im Hochgebirge. Auch unsere Böden sind zunehmend mit Pestiziden kontaminiert.
80 Prozent kontaminiert
Wie hoch die Belastung im Erdreich inzwischen ist, offenbart nun eine europaweite Studie – die bisher größte ihrer Art. Forscher um Vera Silva von der Wageningen Universität in den Niederlanden haben dafür 317 Bodenproben von Ackerflächen aus elf EU-Ländern untersucht, darunter auch Deutschland. Die Erde von Getreidefeldern, Gemüseanbauflächen und Weinbergen testeten sie auf insgesamt 76 unterschiedliche Pestizide.
Das Ergebnis: 80 Prozent der Proben enthielten Rückstände chemischer Pflanzenschutzmittel. In 58 Prozent der Proben fanden die Wissenschaftler dabei nicht nur ein Pestizid, sondern gleich mehrere. So ließen sich in manchen Bodenproben Rückstände von bis zu 13 unterschiedlichen Mitteln nachweisen.
Von Glyphosat bis DDT
Besonders häufig tauchten in den Proben das umstrittene Herbizid Glyphosat und sein Abbauprodukt AMPA sowie Abbauprodukte des in Europa seit Jahren verbotenen Stoffs Dichlordiphenyl-Trichlorethan (DDT) auf. Ebenfalls oft und in hohen Konzentrationen vertreten waren Breitband-Fungizide wie Boscalid, Epoxiconazol und Tebuconazol.
Die höchste gemessene Pestizid-Gesamtbelastung lag bei 2,87 Milligramm pro Kilogramm Erdreich, die höchste Konzentration eines einzelnen Wirkstoffs bei 2,05 Milligramm pro Kilogramm, wie das Forscherteam berichtet. Zum Vergleich: Für Trinkwasser gilt in der EU ein allgemeiner, stoffunabhängiger Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter.
„Eher Regel als Ausnahme“
„Unsere Analysen zeigen, dass die Präsenz gleich mehrerer Pestizidrückstände im Boden eher die Regel als die Ausnahme ist“, konstatieren Silva und ihr Team. Wie sich die nachgewiesenen Pestizidkonzentrationen auf die im Boden lebenden Mikroorganismen und das Ökosystem insgesamt auswirken, ist ihnen zufolge zwar noch weitestgehend unklar. Negative Folgen seien jedoch nicht auszuschließen.
Ein weiteres potenzielles Problem: Durch den Pestizid-Mix im Boden könnten Nahrungspflanzen stärker belastet werden als in den Berechnungen für die üblichen Zulassungsverfahren angenommen, warnen die Wissenschaftler. Bislang gebe es in der EU keine ausreichenden Standards für diese Art der Bodenbelastung.
Politische Maßnahmen gefragt
„Es ist daher dringend erforderlich, die Anreicherung vielfältiger Pestizidrückstände und damit zusammenhängende Effekte näher zu untersuchen und dann entsprechende Maßnahmen zu ergreifen“, fordert Silvas Kollegin Violette Geissen. (Science of the Total Environment, 2018; doi: 10.1016/j.scitotenv.2018.10.441)
(Wageningen University & Research, 12.11.2018 – DAL)