Sonnensystem

Phobos: Rätsel der Gräben gelöst?

Mysteriöse Streifen des Marsmonds könnten von rollenden Einschlagstrümmern stammen

Lange, fast parallele Streifen prägen die Oberfläche des Marsmonds Phobos - was aber hat sie verursacht? © NASA/JPL-Caltech/ University of Arizona

Katastrophaler Ursprung: Wie die parallelen Gräben auf dem Marsmond Phobos entstanden, war bisher rätselhaft. Jetzt könnten Forscher eine Erklärung gefunden haben, denn ihr Modell rehabilitiert eine alte Theorie. Demnach furchten rollende Trümmerbrocken eines gewaltigen Einschlags diese Rinnen in die Mondoberfläche. Beim gleichen Impakt entstand auch der große Stickney-Krater des Phobos.

Der Marsmond Phobos gibt Planetenforschern bis heute Rätsel auf. Denn mit nur gut 20 Kilometern Durchmesser ist der Mond ungewöhnlich klein. Zudem umkreist er den Mars in nur 9.000 Kilometern Abstand – auch das ist für einen Mond eher untypisch. Wegen seiner unregelmäßigen Form und losen Struktur vermuten einige Forscher den Ursprung des Phobos in marsumkreisenden Trümmern. Andere halten ihn für einen eingefangenen Asteroiden.

Rätselhafte Gräben

Besonders mysteriös aber sind die langen Gräben des Marsmonds: Phobos‘ Oberfläche ist mit langen, parallelen Vertiefungen überzogen, deren Ursache Planetenforschern bis heute Rätsel aufgibt. Einige halten die Gräben für Risse und damit für erste Vorzeichen eines Auseinanderbrechens des Marsmonds. Andere vermuten, dass Trümmer von marsianischen Einschlägen den Mond immer wieder gestreift haben und dabei Kraterketten hinterließen.

Doch es gibt noch eine andere Erklärung: ein Einschlag auf Phobos selbst. Dass der Mond einen katastrophalen Treffer abbekommen hat, belegt der neun Kilometer große Stickney-Krater. Die enorme Delle spricht dafür, dass dieser Einschlag den kleinen Phobos einst fast zerrissen haben muss. Deshalb spekulierten Forscher schon in den 1970er Jahren darüber, ob die Gräben möglicherweise bei diesem Einschlag entstanden sind.

Der Stickney-Krater - eine gewaltige Delle im Marsmond Phobos © NASA/JPL-Caltech/ University of Arizona

Rollende Trümmer im Test

Das Problem dabei: Zwar scheinen die meisten Gräben tatsächlich vom Stickney-Krater auszugehen, aber nicht alle. Zudem kreuzen sich einige Gräben und liegen übereinander, was nicht zum Szenario von auf einem Schlag ausgeschleuderten Einschlagstrümmern passt. Sogar im Stickney-Krater selbst sind Gräben zu erkennen. Seltsam auch: Eine Stelle auf der Oberfläche von Phobos ist merkwürdigerweise völlig frei von Gräben – wie ausgespart.

Könnten all diese Eigenheiten dennoch vom Stickney-Einschlag und den dabei ausgeschleuderten Trümmerbrocken verursacht worden sein? Um das herauszufinden, haben Kenneth Ramsley und James Head von der Brown University in Providence das Szenario in einer Simulation rekonstruiert. Dabei berücksichtigten sie nicht nur die physikalischen Umstände des Impakts, sondern auch den Einfluss der Mars-Anziehungskraft, die Rotation von Phobos und die Reibung der Brocken beim Rollen über die Oberfläche des Mondes.

Einmal rundherum

Das Ergebnis: Zur Überraschung der Forscher entstanden im Modell ganz ähnliche Grabenmuster wie auf Phobos – inklusive der vermeintlichen Widersprüche. „Die Testbrocken bewegten sich in linearen und parallelen Richtungen, ähnlich wie bei den beobachteten Gräben“, berichten Ramsley und Head. Weil jedoch Phobos so klein und seine Schwerkraft gering ist, rollten einige Trümmerbrocken sogar einmal ganz um den Mond herum.

Die Simulation zeigt, dass Trümmerbrocken den Marsmond umrunden konnten. © Ken Ramsley / Brown University

Diese Umrundungen erklären, warum einige Gräben quer zu anderen verlaufen und scheinbar nicht vom Krater ausgehen: „Brocken, die Phobos umrunden, kreuzen auf der Gegenseite die Spuren von Trümmern, die direkt vom Krater ausgehen“, sagen die Forscher. Die Zeit, die diese Brocken für ihre Umrundung benötigen erklärt auch, warum einige Gräben andere überlagern. In einigen Fällen könnten einige dieser „weitgerollten“ Trümmerbrocken sogar bis in den Stickney-Krater hineingerollt sein. „Die Gräben im Krater wurden demnach von Ejekta erzeugt, die zu ihm zurückkehrten“, so Ramsley und Head.

Sprung über die Senke

Und sogar die grabenfreie Zone lässt sich mit dem Einschlags-Szenario erklären: Sie liegt in einer flachen Senke, die von einem höheren Rand umgeben ist – und dieser wirkte wie eine Sprungschanze für die rollenden Trümmerbrocken. „Das ist wie beim Skisprung: Die Brocken fliegen einfach weiter, wenn der Boden unter ihnen verschwindet“, so Ramsley. Durch diesen Effekt überflogen die Trümmer die Senke und landeten erst wieder jenseits davon.

Nach Ansicht der Wissenschaftler belegen alle diese Ergebnisse, dass die Gräben auf Phobos durchaus auf den Stickney-Einschlag zurückgehen könnten. „Wir glauben, dass diese Ergebnisse ziemlich starke Argumente dafür liefern, dass das Rollende-Trümmer-Modell die meisten, wenn nicht sogar alle Gräben auf Phobos erklären kann“, sagt Ramsley. (Planetary and Space Science, 2018; doi: 10.1016/j.pss.2018.11.004)

(Brown University, 22.11.2018 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Im Fokus: Sonnensystem - Eine Reise durch unsere kosmische Heimat Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Kosmische Kollisionen - von Lars Lindberg Christensen, Davide de Martin und Raquel Yumi Shida

Der Mars - Bilder vom roten Planeten von Guillaume Cannat und Didier Jamet

Top-Clicks der Woche