Die Sphinx von Gizeh ist vermutlich Teil einer gigantischen, bislang noch im Wüstensand verborgenen Tiergruppenskulptur. Das ergaben geophysikalisch-archäologische Untersuchungen, die in den letzten Monaten unter der Leitung von Dr. Mohammed Assan von der Ägyptischen Altertümerverwaltung in Kairo durchgeführt wurden.
Die Untersuchungen, bei denen der Wüstenboden mit hochempfindlicher Sensorik „durchleuchtet“ wurde, zeigen, dass die rund 4.500 Jahre alte, 20 Meter hohe und 73 Meter lange Sphinx einer Hundeskulptur aufsitzt, die wiederum auf einem überdimensionierten Sandsteinesel ruht. Weitere Gesteinsbruchstücke, die mit Hilfe der Ultraschallsonden in 67 Metern Tiefe entdeckt wurden, lassen vermuten, dass es sich dabei um einen altägyptischen Hahn handeln könnte, der das Viererensemble ursprünglich krönte. „Vermutlich haben wir hier das Zeugnis eines ausgeprägten Haustierkultes der vierten Dynastie vor uns“, sagt Dr. Mohammed Assan. Geplant ist, das Monument bis 2014 komplett auszugraben.
„Bremer Stadtmusikanten“ auf ägyptisch?
Auf besonderes Interesse stoßen die Untersuchungen in Bremen. Nicht zuletzt deshalb, weil die jetzt entdeckte Skulpturengruppe in Aufbau und Zusammensetzung frappierend den Bremer Stadtmusikanten gleicht. Kein Wunder also, dass der Bremer Landesarchäologe Prof. Dr. Manfred Rech von seinem Kollegen Dr. Assan vorab über die Funde informiert wurde. Seit einem Urlaubsaufenthalt Rechs in Ägypten stehen die beiden Wissenschaftler in freundschaftlichem Kontakt. „Sollten sich die jetzt vorliegenden Untersuchungen durch Grabungen bestätigen – und daran zweifelt eigentlich in der Fachwelt niemand – wäre dies eine Sensation“, sagt Rech. Nicht zuletzt deshalb, weil die Sphinx nicht – wie bislang – als Löwe mit menschlichem Kopf, sondern als Katzenfigur anzusehen wäre.
„Wir haben schon immer vermutet, dass im Sand von Gizeh weitere Geheimnisse schlummern“, kommentiert Prof. Dr. Dietrich Wildung, Direktor des Agyptischen Museums in Berlin die sensationellen Ergebnisse, die gleichwohl viele Fragen aufwerfen. Etwa die nach möglichen Beziehungen zwischen dem Monument im ägyptischen Wüstensand und den hanseatischen Märchenfiguren. Wer einmal arabische Länder bereist hat weiß, dass von einem Haustierkult im mediterranen Raum heute keine Rede mehr sein kann. „Daher fragen wir uns, wie die europäischen und speziell die deutschen Mythen- und Märchenwelten mit den bei Gizeh zu Stein gewordenen mythischen Vorstellungen der Altägypter verknüpft sein könnten“, sagt Rech. „Sollten sich hier Verbindungslinien ziehen lassen, würde dies unweigerlich einen Paradigmenwechsel zumindestens in der Volkskunde nach sich ziehen.“