Heuschrecken lassen sich auf ihren tausende Kilometer langen Wanderungen nicht willkürlich vom Wind treiben, sondern orientieren sich anscheinend an der Sonne und dem polarisierten Himmelslicht. Ein Marburger Neurologe konnte nun nachweisen, auf welche Weise das Gehirn der Wüstenheuschrecke diese Informationen verarbeitet und berichtet hierüber in der Fachzeitschrift Science. Damit ist erstmals belegt, dass die Erkennung und neuronale Verrechnung des polarisierten Lichts tatsächlich das Verhalten der Tiere beeinflusst.
Mit der Erkennung von Polarisationsmustern verfügen Heuschrecken, aber auch andere Insekten wie Bienen oder Ameisen, über ein außergewöhnliches sensorisches Instrumentarium. Mittels der „dorsalen Randregion“ des Auges – einem mit speziellen Photorezeptoren ausgestatteten und himmelwärts gerichteten Teil des Auges – können sie am blauen Himmel „ablesen“, in welcher Richtung sich die Sonne befindet, selbst wenn sie hinter Wolken verborgen ist.
Orientierung durch Polarisation
Was sie sehen, lässt sich so erklären: Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen, die senkrecht zu ihrer Ausbreitungsrichtung schwingen. Noch immer aber sind dabei zahllose verschiedene Schwingungsrichtungen möglich: Stellt man sich vor, dass ein Lichtstrahl auf das Auge trifft, können die Wellen von oben nach unten schwingen, von links nach rechts oder in beliebigen anderen Orientierungen – allerdings immer senkrecht zur Richtung des Strahls. Wird Sonnenlicht indessen in der Erdatmosphäre gestreut, sodass es als blaues Licht des Himmels zu uns kommt, bleibt an jedem Punkt des Himmels nur eine „Vorzugsrichtung“ der Schwingung übrig.
„Das polarisierte Licht, dessen Eigenschaften den Heuschrecken zur Orientierung dienen, wird im so genannten Zentralkomplex des Heuschreckengehirns verarbeitet“, erklärt der Marburger Neurobiologe Professor Uwe Homberg seine Entdeckung, die er auch in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science beschreibt. In dieser auffallend geordneten Struktur gebe es zahlreiche Neurone, die auf die Schwingungsrichtung von Lichtwellen reagieren. Homberg untersuchte insbesondere die Protocerebralbrücke: Wie bei allen Insekten finden sich hier Neuronen in einer Reihe von sechzehn säulenartigen Kompartimenten, so genannten Kolumnen.