Anzeige
Paläontologie

Sechs Meter hoher Riesenpilz identifiziert

Isotopenanalyse lüftet Geheimnis des größten Landgewächses im Devon

C. Kevin Boyce, Wissenschaftler der Universität von Chicago, mit einem Teil von Prototaxites. © Lloyd DeGrane

Prototaxites bildete Baumstamm-ähnliche, mehr als sechs Meter hohe Strukturen und starb vor rund 350 Millionen Jahren aus – doch um was es sich dabei für einen Organismus handelte, war bis vor kurzem völlig unklar. Jetzt haben Wissenschaftler das Geheimnis des Fossils gelüftet: Es ist ein Riesenpilz.

Prototaxites lebte vor 420 bis 350 Millionen Jahren in einer Welt, die uns heute eher fremd vorkommt: Damals, während des Devon, begannen die ersten höheren Pflanzen gerade erst, sich an Land auszubreiten. „Im Prinzip waren es nur Stängel. Sie hatten keine Wurzeln. Sie hatten keine Blätter, Die hatten nichts dergleichen”, erklärt C. Kevin Boyce, Assistenzprofessor für Geowissenschaften an der Universität von Chicago. Tausendfüßler, Flügellose Insekten und Würmer waren die ersten Tiere an Land, Wirbeltiere hatten sich noch nicht entwickelt. „Die damalige Welt war ein sehr seltsamer Ort.“

Auch die ersten Gefäßpflanzen, die Vorfahren aller heutigen Farne, Nadelbäume und Blütenpflanzen waren noch eher kümmerlich: Gerade mal knapp einen Meter wurden die größten von ihnen hoch. Erst vor 345 Millionen Jahren, am Ende des Devons, sollten sie ihre große Entwicklungsexplosion durchleben. Doch einer ragte bereits vorher über alle anderen hinaus: Prototaxites. Ein mehr als sechs Meter hoher Stamm inmitten der niedrigen Vegetation. Aber um was handelte es sich dabei?

Nadelbaum, Alge oder Pilz?

Genau darüber wird seit mehr als einem Jahrhundert gestritten. Prototaxites wurde erst für einen Nadelbaum gehalten, dann für eine Flechte oder Alge – in jedem Fall für einen der seltsamsten Organismen, die jemals gelebt haben. Jetzt haben Wissenschaftler um Boyce erstmals chemische Analysen an fossilen Resten von Prototaxites durchgeführt, die belegen, dass es sich dabei tatsächlich um einen Pilz handelte. Ihre Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift „Geology“ erschienen. „Egal was für ein Argument man vorbringt, die Leute sagen immer, das ist verrückt“, so Boyce. „Ein sechs Meter hoher Pilz macht einfach keinen Sinn. Aber genauso wenig eine sechs Meter hohe Alge, und doch gibt es das Fossil.“

Die Pilzidee ist nicht neu: Schon 1919 hatte Francis Hueber vom National Museum of Natural History in Chicago erklärt, die internen Strukturen würden anatomische Hinweise darauf geben, dass es sich hier nicht um eine Pflanze handeln könne, es müsse vielmehr ein Pilz sein. „Fran Hueber hat mehr zum Verständnis von Prototaxites beigetragen als jeder andere“, erklärt Carol Hotton, ebenfalls vom National Museum of Natural History in Chicago. „Er baute überzeugende Argumente dafür auf, dass es ein Riesenpilz ist, aber verzweifelte an der Tatsache, dass er keinen Beweis in Form von reproduktiven Strukturen finden konnte.“

Anzeige

Isotopen verraten nicht-pflanzliche Natur

Jetzt haben Boyce, Hotton und ihre Kollegen eindeutige Belege dafür gefunden, die Huebers Theorie unterstützten. Das Team analysierte dafür die Kohlenstoffisotope in Prototaxites und in Pflanzen aus der gleichen Ära, der Zeit vor rund 400 Millionen Jahren.

Pflanzen betreiben Photosynthese und entnehmen den benötigten Kohlenstoff dem Kohlendioxid der Luft. Daher enthalten die Gewebe von Pflanzendes gleichen Typs und Alters in der Regel alle ein ähnliches Verhältnis von Kohlenstoff-12 zu Kohlenstoff-13. „Doch ein Tier ähnelt eher dem, was es frisst“, erklärt Boyce. Und daher sind bei tierischen Organismen größere Variationsbreiten in den Isotopenverhältnissen typisch. Und auch Pilze, die keine Photosynthese betreiben, sondern organisches Material ab- und umbauen, zeigen typischerweise diese Bandbreite.

Die Analysen ergaben, dass das Rätselfossil Prototaxites tatsächlich eine deutlich größere Spannbreite an Kohlenstoff-12 / Kohlenstoff-13-Verhältnissen zeigte, als es die gleich alten Pflanzen aufwiesen. Zwar können auch geologische Prozesse die Isotopenzusammensetzung von Fossilien verändern, doch die Forscher führten Tests durch, mit denen sie dies ausschlossen.

Riesenwuchs dank fehlenden Fressfeinden?

Bleibt noch die Frage, warum ausgerechnet ein Pilz in der damaligen Zeit so riesige Ausmaße erreichen konnte. „Ich habe mich gefragt, ob es Prototaxites vielleicht dazu verhalf, seine Sporen besonders weit zu verbreiten“, so Hotton. „Das erlaubte ihm, die für ihn passenden sumpfigen Habitate zu kolonisieren, die damals fleckenhaft in der Landschaft verteilt waren.“

Die relativ einfachen devonischen Ökosysteme enthielten zumindest auch nichts, was den Pilz daran gehindert hätte, über eine lange Zeit hinweg allmählich immer weiter zu wachsen. Denn Pflanzen fressende Landtiere hatten sich noch nicht entwickelt. Auch die Dinosaurier kamen erst später. In einer modernen Welt allerdings hätte Prototaxites wohl keine Chance gehabt. Denn sein extrem langsames Wachstum verhinderte auch, dass er sich von Rückschlägen oder Beschädigungen schnell wieder erholen konnte.

(University of Chicago, 24.04.2007 – NPO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

Dossiers zum Thema

News des Tages

Feldhase

Genom des "Osterhasen" entschlüsselt

Erstes Bild der Magnetfelder ums Schwarze Loch

Ägypten: Wandbilder aus der Totenstadt

Wie das Klima den antarktischen Zirkumpolarstrom beeinflusst

Bücher zum Thema

Eine kurze Reise durch Geist und Gehirn - von Vilaynur S. Ramachandran

Die Geschichte des Lebens auf der Erde - Vier Milliarden Jahre von Douglas Palmer

Saurier - Ammoniten - Riesenfarne - Deutschland in der Kreidezeit von Harald Polenz und Christian Späth

Im Bernsteinwald - von Wilfried Wichard, Wolfgang Weitschat

Geschichte der Erde - von Rolf Meissner

Messel - Ein Pompeji der Paläontologie von Wighart von Koenigswald und Gerhard Storch

Top-Clicks der Woche