Jupiter, Uranus, Neptun – das ist die Reihenfolge der äußeren Planeten von innen nach außen. Doch das war nicht immer so: Anhand von Analysen der Materiedichte in der Urwolke – der Kinderstube der Planeten – haben Astronomen festgestellt, dass Uranus und Neptun erst 650 Millionen Jahre nach ihrer Entstehung die Plätze zur heutigen Position tauschten.
Steve Desch, Professor für Erd- und Weltraumerkundung an der Arizona State Universität, berechnete in einer jetzt im Astrophysical Journal erschienen Studie erstmals genau die Oberflächendichte des solaren Urnebels. Aus dieser kreisenden Wolke aus Staub und Gasen entstanden die Sonne und alle Planeten des Sonnensystems. Aus dem Verhältnis von Masse zu Fläche in dieser so genannten protoplanetaren Scheibe lässt sich ermitteln, wie schnell und aus welchen Elementen sich die Planeten damals, vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren, bildeten.
Gasriesen brauchten zu lange
Bisherige Modelle der Planetenbildung beruhten meist auf einer bloßen Schätzung dieses Verhältnisses, dem so genannten Minimum Mass Urnebel. Für dieses Modell nahmen die Astronomen im Prinzip einfach die festen Bestandteilen jedes Planeten, ergänzten so viel Wasserstoff und Helium bis die Zusammensetzung in etwa der der Sonnen entspricht und verteilten anschließen die ermittelte Masse über die Umlaufbahn des betreffenden Planeten. Damit ergibt das Minimum Mass Modell für den Urnebel Massenverhältnisse, die so ähnlich auch in anderen protoplanetaren Nebeln beobachtet worden sind.
Ein Problem gibt es dabei jedoch: „Ich dachte über die Planetenbildung nach und bemerkte, dass alle aktuellen Modelle nicht erklären können, wie der Jupiter seine jetzige Größe während der Lebenszeit des solaren Urnebels erreichen konnte“, erklärt Desch. „Angesichts der Größe und Zusammensetzung des Jupiter müsste nach diesem Modell seine Entstehung viele Millionen Jahre gedauert haben und die von Uranus und Neptun sogar Milliarden Jahre – aber unser Sonnensystem ist dafür gar nicht alt genug.“
Planeten auf Tuchfühlung
Dem Forscher ließ dieses Problem keine Ruhe und er suchte nach einer Lösungsmöglichkeit. Dabei stieß er auf das so genannte Nizza-Modell. Dieses basiert auf numerischen Kalkulationen der Planetenumlaufbahnen über Millionen von Jahren. Es geht davon aus, dass die großen Gasriesen des Sonnensystems sich sehr viel näher beieinander und näher an der Sonne gebildet haben müssen und erst später auseinander drifteten. Neptun beispielsweise muss nach diesen Berechnungen weniger als halb so weit von der Sonne entfernt gekreist haben als heute.
Und noch etwas Ungewöhnliches zeigte dieses Modell: In ungefähr der Hälfte aller Simulationen waren die Positionen von Uranus und Neptun vertauscht, ohne das die Wissenschaftler erklären konnten, warum. Desch realisierte sehr schnell die Implikationen dieses Modells für die Sicht auf den Urnebel: Denn wenn die Planeten näher zusammenstanden, muss auch die Masse im Urnebel anders verteilte gewesen sein als es das bisherige Minimum Mass Modell vorhersagte.
Neptun weiter innen als Uranus
Als Test fütterte er das Nizza-Modell mit den Daten für die einzelnen Planeten aus dem Minimum Mass Modell. Nur dass diese Massen nun nicht über die heutigen Planetenbahnen verteilt wurden, sondern in den vom Nizza-Modell ermittelten Bahnen. Es zeigte sich eine bis auf wenige Prozent genaue Übereinstimmung von heutigen Massen und der postulierten Massenverteilung im Nebel – aber nur, wenn Uranus und Neptun ihre Plätze tauschten.
“Neptun muss sich näher an der Sonnen gebildet haben, sonst bekommt man nicht das typische Massenprofil“, so Desch. Wahrscheinlich kreiste der Neptun sogar 650 Millionen Jahre lang innerhalb des Uranusorbit – immerhin 15 Prozent der Lebenszeit des Sonnensystems.
Urnebel dichter als gedacht
„Auch die Oberflächendichte des Urnebels entspricht nicht dem bisher angenommenen – sie ist tatsächlich viel höher“, erklärt Desch. „Und das hat bedeutende Auswirkungen für unsere Vorstellung darüber, wie die Planeten entstanden und wie schnell sie wuchsen. Eine höhere Dichte bedeutet auch, dass Uranus und Neptun sich näher und schneller bildeten, in nur zehn Millionen Jahren anstatt in Milliarden.“
Dieses Ergebnis ist auch deshalb bedeutend, weil Wasserstoff und Helium, zwei der Gase, die als Bausteine für Gasriesen gelten, auch in anderen im Universum beobachteten Urnebeln nach rund zehn Millionen Jahren beginnen zu verfliegen und damit für einen Planetenbildung nicht mehr zur Verfügung stehen.
Doch Desch demonstriert damit nicht nur erstmals schlüssig, wie auch die Gasriesen während der Lebensdauer des Urnebels entstanden sein können, er erklärt auch, warum die Dichte des Nebels in einer bestimmten Entfernung von der Sonnen ganz plötzlich stark absinkt. „Die Verteilung der Massen sinkt stark ab, weil der äußere Rand ständig durch den Prozess der Photoevaporation verdampft“, so der Forscher. „Ursache ist die ultraviolette Strahlung von nahe gelegenen Sternen.“ Diese Strahlung sorgte dafür, dass der äußere Rand des Urnebels sich nicht ausdehnte, sondern quasi immer wieder „gestutzt“ wurde.
(Arizona State University, 13.12.2007 – NPO)