Was haben Marathonläufer und Herzpatienten gemeinsam? Mehr als man glaubt. Denn die Erschöpfung am Ende ihres Laufes geht bei den Sportlern auf die gleiche Ursache zurück wie die Herzschwäche der Kranken. Eine neue Studie zeigt, dass winzige Lecks in den Muskeln schuld am Energieverlust sind.
Wenn das Herz nicht mehr richtig arbeitet, sinkt die Leistungsfähigkeit der Muskeln rapide, die Betroffenen werden schnell müde und sind kraftlos. „Eines der lähmendsten Symptome dieser Patienten ist die Muskelschwäche und Erschöpfung, die so schlimm sein kann, dass sie nicht aus dem Bett aufstehen können, sich ihre Zähne putzen oder essen”, erklärt Andrew Marks, Leiter des Zentrums für Kardiologie an der Columbia Universität und Autor der jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlichten Studie.
Calcium-Lecks schuld an Erschöpfung
Doch diese Erschöpfung geht keineswegs nur auf die verringerte Zufuhr von Blut und damit auch Sauerstoff zu den Muskeln zurück, wie lange angenommen. Stattdessen, das haben vorherige Studien der Forscher um Marks bereits gezeigt, ist es ein Verlust von Calcium, einem für die Muskelkontraktion entscheidenden Ion, der die Muskeln schwächt. Das Leck, das dazu führt, dass Calcium kontinuierlich in die Muskeln einströmt, schaltet gleichzeitig ein Protein-verdauendes Enzym ein, das zusätzlich die Muskelfasern schädigt.
Soweit der Zustand bei Herzpatienten. Aber wo kommen die Marathonläufer ins Spiel? Sie gehen auf eine Idee von Andrew Bellinger, ebenfalls von der Columbia Universität, zurück. „Wir hatten eine Ahnung, dass der Prozess, der die Herzpatienten schwächt auch für die Erschöpfung verantwortlich sein könnte, die Athleten nach einem Marathon oder extremem Training spüren.“ Lange Zeit führten Sportwissenschaftler diese auf eine Übersäuerung der Muskeln mit Milchsäure zurück, doch diese Theorie gilt inzwischen als weitestgehend überholt.
Intensiv-Training für Mäuse und Menschen
Um ihre Calcium-Hypothese zu testen, führten die Forscher Versuche an Mäusen durch, die drei Wochen lang täglich ein bestimmtes Schwimmpensum absolvieren mussten. Gleichzeitig testeten sie auch menschliche Sportler nach drei Tagen intensivem, erschöpfenden Radfahren. Und tatsächlich: Auch nach diesen Trainingsaktivitäten entdeckten die Forscher das Calcium-Leck in den Muskeln sowohl der Mäuse als auch der Menschen. „Unsere Studie zeigt damit, dass die Erschöpfung in Herzpatienten und Athleten wahrscheinlich auf das gleiche Leck zurück geht“, so Bellinger.
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„Die Studie bedeutet nicht, dass Sport ungesund ist”, betont Marks. „Wir haben das Leck nur in Mäusen und menschlichen Athleten gesehen, die mehrere Tage oder Wochen drei Stunden täglich in sehr hoher Intensität trainierten bis sie total erschöpft waren.“ Bei den Sportlern schlossen sich die Lecks nach einigen Tagen der Erholung wieder und auch die Muskelschäden wurden im Laufe von einigen Tagen oder Wochen – abhängig vom Grad des Trainings – wieder behoben. „Menschen mit einer chronischen Herzschwäche jedoch leiden ständig unter den gleichen Muskellecks und Schäden auch ohne Sport“, so Marks.
„Doping“ verhindert Calcium-Lecks
Ausgehend von dieser Erkenntnis suchten die Wissenschaftler als nächstes nach einem Wirkstoff, der das Calcium-Leck schließen und damit die Erschöpfung verhindern kann. Einen Erfolg versprechenden Kandidaten verabreichten sie einer Gruppe von Mäusen vor dem dreiwöchigen Schwimmtraining. Während die Tiere normalerweise bereits nach drei Tagen deutliche Erschöpfung zeigten, hielten die solcherart „gedopten“ Mäuse wesentlich länger durch. Sie hatten mehr Energie und auch ihre Muskeln zeigten weniger Hinweise auf Calcium-Lecks und Faserschäden.
Da der Wirkstoff noch experimentell ist, konnte er an den menschlichen Probanden nicht getestet werden. Die Forscher hoffen aber, bald eine Studie an Patienten mit Herzschwäche durchführen zu können um zu sehen, ob deren chronische Schwäche dadurch gebessert werden kann. Allerdings wird es, so die Wissenschaftler, noch mehrere Jahre dauern, bis ein Medikament auf dieser Basis auf dem Markt erhältlich sein wird.
(Columbia University Medical Centre, 13.02.2008 – NPO)