Der Mensch ist ein Herdentier, ob er will oder nicht: Wenn nur fünf Prozent einer Menschenmenge sich gezielt in eine Richtung bewegen, folgt der Rest nach – ohne sich darüber klar zu sein, einem solchen Impuls zu folgen. Experimente britischer Forscher ergaben diese und andere Parallelen zum Herdenverhalten von Vögeln oder Huftieren.
Jens Krause, Professor für Biologie an der Universität von Leeds führte gemeinsam mit seinem Doktoranden John Dyer eine Reihe von Experimenten durch um den Herdentrieb näher zu untersuchen. Er bat eine Gruppe von Probanden, in einem großen Saal zufällig umherzulaufen, dabei nicht miteinander zu kommunizieren und immer darauf zu achten, dass sie mindesten eine Armlänge von ihren Nachbarn entfernt bleiben. Einer kleinen Minderheit aus dieser Gruppe jedoch gab er detailliertere Informationen darüber, wohin sie laufen sollten.
Erstaunlicherweise bildete sich in allen Durchgängen nach und nach eine sich selbst-organisierende Struktur heraus, bei der die Masse den „informierten Individuen“ als Schlange folgte – und dies, ohne dass sie sich dessen überhaupt bewusst waren. „Wir haben alle schon Situationen erlebt, in denen wir von der Menge mitgetragen wurden“, erklärt Krause. „Aber interessant ist an unseren Versuchen, dass die Teilnehmer eine Konsensentscheidung getroffen haben, trotz der Tatsache, dass sie nicht reden durften oder sich mit Gesten verständigen. In den meisten Fällen merkten die Teilnehmer gar nicht, dass sie von anderen geführt worden waren.“
Die Wissenschaftler führten diese Experimente mit Gruppen unterschiedlicher Größe und unterschiedlichen Anteilen von informierten Individuen durch. Dabei stellte sich heraus, dass der Anteil der „Leithammel“ bei größeren Gruppen sehr viel geringer sein kann als bei kleineren. In großen Menschenansammlungen von 200 und mehr Personen, reichte es bereits aus, wenn fünf Prozent der Gruppe die Richtung angaben.
Planungsstrategien für Notfälle verbessern
Diese jetzt in der Fachzeitschrift „Anomal Behaviorist Journal“ veröffentlichten Ergebnisse geben wertvolle Hinweise darauf, wie die Bewegungen großer Menschenmassen geleitet werden können, beispielsweise im Katastrophenfall, oder in Situationen, in denen verbale Kommunikation schwierig ist. „Es gibt viele Situationen, in denen diese Informationen zu gutem Nutzen eingesetzt werden könnten“, so Krause. „In einem Extrem könnte es Planungsstrategien für Notfälle verbessern, im anderen wäre es auch nützlich, wenn es darum geht, den Fußgängerstrom in sehr belebten Bereichen zu organisieren.“
Ursprünglich begannen die Wissenschaftler ihre Experimente zu dieser Art von unbewusstem Herdentrieb beim Menschen, weil sie an den Wanderungsbewegungen von Tieren forschten. In solchen ziehenden Gruppen beispielsweise von Vögeln ist es häufig schwer herauszufinden, welchem Individuum die Gruppe folgt. Das sich Menschen und Tiere in ihrem Herdenverhalten so deutlich ähneln, war sozusagen ein zuvor nicht geplanter Nebeneffekt der Versuche. „Aber das zeigt eben, dass es starke Parallelen zwischen dem tierischen Herdenverhalten und menschlichen Gruppen gibt“, so Krause.
(University of Leeds, 18.02.2008 – NPO)