Wer baute die Tempel der Maya-Kultur? Waren es wirklich nur die Könige der alten Hochkultur? Eine Archäologin hat nun dieser bislang vorherrschenden Ansicht widersprochen und belegt dies mit Funden aus der Maya-Stadt Yalbac in Belize. Ihrer Ansicht nach errichteten auch Adelige, Priester und möglicherweise sogar normale Bürger solche Tempel.
Obwohl in der breiten Öffentlichkeit relativ unbekannt ist die alte Maya-Stadt Yalbac im heutigen Belize eine sehr reichhaltige Fundgrube für Archäologen. Zu seinen sechs Tempeln besitzt die Stadt zwei Plätze, eine große königliche Residenz und einen Ballspielplatz. Bisher sind alle Bauwerke noch von Geröll bedeckt, da die Ausgrabungsarbeiten von der Regierung Belizes streng reglementiert sind. Lisa Lucero, Anthropologin und Archäologin der Universität von Illinois, darf daher mit ihrem Team nur entlang der zuvor von Plünderern gegrabenen neun Gräben arbeiten.
Vielfalt weist auf unterschiedliche Ursprünge hin
Die Forscherin gilt als führende Expertin in Bezug auf Yabac und ist zudem die einzige von der Regierung von Belize offiziell authorisierte Archäologin vor Ort. Sie entdeckte trotz der Einschränkungen bereits zahlreiche Markierungssteine, aufrechte Steinstelen mit Inschriften, die von den Maya im Laufe der Jahrhunderte errichtet worden waren. Aus der Datierung von Keramiken ergibt sich, dass der Ort offenbar mindestens von 3.000 vor Christus bis 900 nach Christus bewohnt war. Ähnliche Daten ergaben sich auch aus einer Testgrabung an einem der großen Plätze.
Insbesondere aus den Ausgrabungen an den Tempeln aus der späten klassischen Periode, zwischen 550 und 850 nach Christus, schließt die Forscherin, dass die Könige keineswegs die alleinigen Bauherren gewesen sind. „Die vorläufigen Ergebnisse aus Yalbac deuten darauf hin, dass sowohl Könige als auch Nicht-Könige Tempel bauten“, erklärt Lucero. Ausgehend von der großen Vielfalt der Konstruktionsarten und Materialien könnte nach Ansicht der Forscherin sogar eine relativ große Menge unterschiedlicher Gruppen – Adelige, Priester und sogar das normale Volk – Bauwerke errichtet haben. Die Mittel und die Freiheit dazu seien vorhanden gewesen. Die Tempel dienten zudem unzweifelhaft ganz unterschiedlichen Zwecken und Göttern.
Widerspruch zur etablierten Lehrmeinung
„Maya-Forscher haben bisher prinzipiell angenommen, dass die Herrscher alle Tempel bauten“, erklärt Lucero. „Niemand hat dies in Frage gestellt, obwohl schon ein kulturübergreifender Vergleich anderes andeutet.“ Tatsächlich schweigt die Geschichte bisher darüber, warum die Maya, eine komplexe Kultur mit noch immer vielen Geheimnissen, in jedem Zentrum immer mehrere Tempel besaß. Lucero und andere Archäologen sind der Ansicht, dass die Forschung Antworten dazu in den Bauwerken selbst suchen muss: „Wir brauchen kreativere Wege um herauszufinden, was die Eigenschaften der Tempel über ihre nicht-materiellen Qualitäten enthüllen“, so Lucero.
Die Lage von Yalbac am östlichen Rand des südlichen Maya-Tieflands und seine Entfernung von den regionalen Zentren könnte seine spezielle Dynamik und seine relative politische Unabhängigkeit erklären“, so Lucero. „Möglicherweise konnten sich die Mayauntertanen sogar aussuchen, in welchen Tempeln sie anbeteten und welche sie unterstützten.“
Eine erste Kartierung der Stadt ist nahezu abgeschlossen, weitere Untersuchungen müssen jedoch folgen. „Wir wollen die Gräben ausweiten um zu sehen, ob die Plünderer vielleicht Verstecke übersehen haben, Artefakte aus Jade, Keramiken, Steingegenstände und Ähnliches, die uns mehr Hinweise auf die Funktion und den Zweck der Tempel geben“, so Lucero. Anhand von Testgrabungen will das Archäologenteam zudem weitere Daten aus allen sechs Tempeln sammeln und vergleichen, um Unterschiede in der Nutzungshäufigkeit, in den Größenverhältnissen, der Anordnung, der Nutzungsgeschichte und der Konstruktion näher zu erfassen.
(University of Illinois, 26.02.2008 – NPO)