Im frühen Entwicklungsstadium reagieren Lebewesen äußerst empfindlich auf chemische Einflüsse. Ob und in welchen Dosen Umweltgifte auf das sich entwickelnde Leben wirken, ist jedoch bislang kaum systematisch untersucht. Jetzt haben Wissenschaftler ein Modellsystem mit Fisch-Embryonen entwickelt, mit dem sich die Auswirkungen von Umweltgiften sehr spezifisch zu einem frühen Zeitpunkt genetisch nachweisen lassen.
Genaktivierung als Nachweis der Giftwirkung
Für den Test setzten die Wissenschaftler des KIT-Institut für Toxikologie und Genetik (ITG) Embryonen des Zebrabärblings verschiedenen Umwelt-Giften wie Dioxin, DDT, Cadmium oder Quecksilber aus und analysierten anschließend die genetische Reaktion. Durch die Behandlung werden im Organismus mehrere hundert Gene aktiviert. Das Ergebnis ist ein typisches Genmuster, das wie ein genetischer Barcode abgelesen werden kann. Mit dieser Methode gelang es den Entwicklungsbiologen das eingesetzte Umweltgift mit hoher Treffsicherheit vorherzusagen.
„Es war sehr eindrucksvoll, wie spezifisch die Genantworten waren, mit denen wir immerhin 14 von 15 eingesetzten Umweltgiften identifizieren konnten“, so ITG-Institutsleiter Professor Uwe Strähle. Die Auswirkungen zeigten sich bereits bei einer Konzentration, die noch keine äußerlichen Veränderungen der Embryonen zur Folge hatte. Das Verfahren ist damit sensibler als die zurzeit üblichen Biomonitoring- Tests, bei denen morphologische Änderungen als Hinweis für einen toxischen Effekt dienen.
Geeignete Prüfmethode für REACH
Das System könnte zukünftig als Vorabscreening für neue Wirkstoffe dienen, um bereits frühzeitig deren Gefährdungspotenzial einzuschätzen, so Strähle. Aber auch zur toxikologischen Testung bereits eingesetzter Chemikalien in Pharmazie und chemischer Industrie dürfte das Verfahren von Interesse sein. Seit dem Inkrafttreten des neuen EU-Chemikalienrechts REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of CHemicals) am 1. Juni 2007 müssen innerhalb der EU chemische Stoffe ab einer Jahresproduktion oder bei Importmengen von mindestens einer Tonne auf ihre Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt getestet und registriert werden. Für rund 2.500 bis 3.000 besonders riskante Stoffe, die etwa Krebs erregen und die Fruchtbarkeit mindern können, wird ein Zulassungsverfahren vorgeschrieben.
„Zebrabärbling- Embryonen bieten sich als gut handhabbares und ethisch vertretbares Wirbeltiermodell an, um die zehntausenden von Risikoprüfungen zu bewältigen, die im Rahmen von REACH erforderlich sind“, urteilt Uwe Strähle. Das Modell kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, zumal das Verfahren mittelfristig auch automatisiert werden kann und sich damit zur schnellen Testung einer großen Anzahl von Substanzen eignet.
(Karlsruher Institut für Technologie, 26.03.2008 – NPO)