Medizin

Wie Killerzellen auf die richtige Fährte kommen

Forscher enträtseln Immunantworten gegen Viren und Krebs

Bonner Forscher haben in der Wissenschaftszeitschrift Nature Immunology ein lange ungeklärtes Rätsel des Immunsystems gelüftet. Die Forscher konnten zeigen, wie Immunantworten gegen Viren und Krebs zustande kommen. Sie hoffen nun auch auf neue Therapien gegen Autoimmunkrankheiten wie Diabetes vom Typ I.

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Im Immunsystem gibt es manche Parallelen zur Verbrecherjagd. Gegen Viren und Tumoren, in diesem Bild die Verbrecher, alarmiert das Immunsystem als Spürhunde die zytotoxischen T-Zellen, auch „Killerzellen“ genannt. Sie können virusinfizierte Zellen oder Krebszellen erkennen und in den Selbstmord treiben oder direkt zerstören. Dazu müssen sie aber zunächst wissen, gegen welchen Feind sie kämpfen sollen.

Diese Aktivierung übernehmen die so genannten dendritischen Zellen. Sie nehmen Proteine von Viren oder Tumoren („Antigene“) auf und zerkleinern sie. Danach transportieren sie die Bruchstücke an ihre Oberfläche und präsentieren sie den zytotoxischen T-Zellen. Dadurch wissen diese nun, welche Verbrecher sie jagen sollen. Sie vermehren sich dann massiv und schwärmen in alle Gewebe aus, um ihre Aufgabe zu verrichten: nämlich die virusinfizierten oder bösartig veränderten Zellen zu bekämpfen.

Dieser Aktivierungsmechanismus heißt Kreuzpräsentation. Vor mehr als zehn Jahren wurde er in Melbourne, Australien, erstmals beschrieben – unter anderem durch den Immunologen Professor Dr. Christian Kurts. Kurts ist inzwischen am Institut für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie der Universität Bonn tätig. Er untersucht dort mit seinem Team unter anderem, wie die Kreuzpräsentation im Detail abläuft.

Ein neues Zellorganell als Antigen-Verladebahnhof

Ungeklärt war bislang nämlich vor allem, auf welche Weise die dendritischen Zellen die Antigene zerlegen und dann an ihre Oberfläche bringen. Man kannte zwar das Transportvehikel, die „MHC Klasse I“-Moleküle. Doch wo dieser Transporter beladen wird, war unbekannt.

In der aktuellen Studie konnten Dr. Sven Burgdorf und Kurts zusammen mit Kollegen der Universität Frankfurt dieses Rätsel lüften. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Organellen, von deren Existenz man erst seit zwei Jahren weiß, deren Funktion aber bislang unbekannt war: Die so genannten „Stable Early Endosomes“.

Zerkleinerte Antigene auf „Reisen“

Organellen sind Strukturen innerhalb der Zellen, die spezifische Funktionen übernehmen – ähnlich wie das im Körper die Organe tun, zum Beispiel der Magen oder die Niere. Das bekannteste Organell ist der Zellkern, in dem die Erbinformation gespeichert ist. Endosomen – „innere Körper“ – sind dagegen membranumhüllte Hohlräume, die unter anderem der Aufnahme und dem Transport von Molekülen dienen. Sie sind also beispielsweise an der Nahrungsaufnahme der Zelle beteiligt.

In den dendritischen Zellen werden sie jedoch auch zur Antigenaufnahme eingesetzt, wie die Bonner Wissenschaftler bereits vor einem Jahr in einer „Science“-Publikation zeigen konnten. In der aktuellen Studie haben sie nun nachgewiesen, dass ein Teil der innerhalb der dendritischen Zelle zerkleinerten Antigene über einen Kanal in die Stable Early Endosomes gelangt und dort auf MHC Klasse I Moleküle geladen wird. Danach wandern diese Endosomen mit ihrem Inhalt zur Zelloberfläche und verschmelzen mit der Zellmembran. Die mit Antigenen beladenen MHC- Transporter befinden sich nun auf der Zelloberfläche und können von Killerzellen erkannt werden.

Bald bessere Impfstoffe gegen Viren und Krebs?

„Unsere Erkenntnisse sind grundlegend für das Verständnis der Funktion dendritischer Zellen“, erklärt Kurts. „Sie ermöglichen so die Entwicklung effektiverer Impfstoffe gegen Viren und Krebs.“ Außerdem sehen die Forscher neue Ansatzpunkte für die Behandlung von so genannten Autoimmunkrankheiten.

„Bei Erkrankungen wie Typ I Diabetes kämpft das Immunsystem fälschlicherweise gegen körpereigene Zellen“, erläutert Burgdorf. „Grund ist eine fehlerhafte Aktivierung von Killerzellen. Wenn man die Kreuzpräsentation hemmt, kann man diese Aktivierung vielleicht unterbinden.“

Die Bonner Wissenschaftler haben ihre Erkenntnisse nutzen können, um spezifische Hemmstoffe der Kreuzpräsentation zu entwickeln. Außerdem konnten Burgdorf und sein Assistent Andreas Kautz in Zellkulturexperimenten zeigen, dass das Malariamittel Primaquin den Transport von Endosomen an die Zelloberfläche verhindert. Das Medikament stoppt so die Antigenpräsentation und damit auch die Aktivierung der T-Killerzellen. „Möglicherweise ist das ein neuer Weg, um Autoimmunerkrankungen zu behandeln“, hofft Burgdorf.

(idw – Universität Bonn, 31.03.2008 – DLO)

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