Menschen und die meisten Tiere erben ihre Gene von ihren Eltern und müssen dann mit dieser Grundausstattung leben. Aber es gibt eine überraschende Ausnahme: Eine Gruppe von winzigen Gewässerbewohnern, die Rädertierchen Bdelloidea, kann große Mengen fremder DNA in ihr Genom integrieren. Wie Wissenschaftler jetzt in „Science“ berichten, entdeckten sie Gene von Bakterien, Pilzen, sogar Pflanzen in den Rädertierchen und damit den Beleg für einen so genannte horizontalen Gentransfer, der in diesem Ausmaß bisher nur von Bakterien bekannt war.
Die Wissenschaftler Irina Arkhipova und Matthew Meselson vom Marine Biological Laboratory und der Harvard Universität haben die Gene der für ihre asexuelle Fortpflanzung bekannten Rädertierchen untersucht. Die mikroskopisch kleinen Tiere leben in nahezu jedem Teich oder See und ernähren sich, indem sie organische Partikel oder Bakterien über ein rotierendes, mit Anhängen besetztes Räderorgan in Richtung ihres Mundes strudeln.
Fremde Gene in rauen Mengen
Die Analysen enthüllten Überraschendes: Das Genom der Bdelloidea enthielt große Anteile von fremder DNA, das heißt Gene, die aus Bakterien, Pilzen oder Pflanzen stammten. Sie mussten im Laufe der Evolution von den Tieren aus der Umgebung aufgenommen und in das eigene Genom eingebaut worden sein. Während ein solcher horizontaler Gentransfer bei Bakterien alltäglich ist, galt dies in einem solchen Ausmaß bei höheren Organismen bisher als nicht möglich.
„Es ist faszinierend, dass die Bdelloiden fremde Gene rekrutieren können, die aus so unterschiedlichen Quellen stammen und diese dann in ihrer neuen Umgebung in Funktion nehmen“, erklärt Arkhipova. „Bdelloiden haben die Fähigkeit, den gesamten Genpool ihrer Umgebung anzuzapfen. Das könnte ihnen helfen, sich in neue ökologische Nischen zu verbreiten und könnte sogar zu ihrer Artbildung beitragen.“