Geowissen

Meereis-Rückzug bedroht Permafrost

Schmelzendes Meereis beschleunigt Erwärmung auch der arktischen Landmassen

Einfluss der Meereisschmelze auf die Erwärmungsgeschwindigkeit der Landmassen © Steve Deyo, UCAR

Die globale Erwärmung trifft die Arktis besonders stark. Jetzt legt ein internationales Forscherteam noch eins drauf: Sie zeigen, dass sich die Erwärmung der arktischen Landmassen sogar um das Dreifache beschleunigen könnte, wenn das Meereis weiter so schnell abschmilzt. Ihre Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“ erschienen.

Im letzten Sommer erreichte das Meereis der Nordpolarregion einen neuen Negativrekord: Die Eisfläche schrumpfte auf nur noch drei Millionen Quadratkilometer – und lag damit 30 Prozent unter dem Durchschnitt. Auch die Lufttemperaturen der Arktis waren zwischen August und Oktober ungewöhnlich hoch, immerhin zwei Grad über dem langjährigen Mittel. Der Permafrostboden, der heute noch rund ein Viertel der Nordhalbkugel der Erde bedeckt, beginnt in immer mehr Gebieten allmählich aufzutauen.

Forscher des amerikanischen National Center for Atmospheric Research (NCAR) haben nun untersucht, ob und wie Meereisverlust und Erwärmung sich gegenseitig beeinflussen. Die Wissenschaftler unter Leitung von David Lawrence analysierten dazu Klimawandelsimulationen, die auf einem am NCAR entwickelten Klimamodell beruhen. Dabei zeigte sich, dass das Meereis tatsächlich einen deutlichen Einfluss auf die Geschwindigkeit der Erwärmung hat: Während der Phasen rapiden Eisverlusts heizen sich die arktischen Landflächen 3,5 mal so schnell auf wie die bisher in Klimamodellen vorhergesagten Mittelwerte. Bis zu 1.450 Kilometer weit reicht dieser im Herbst besonders ausgeprägte Effekt ins Landesinnere.

Permafrost adé?

Für die Permafrostböden der Arktis hat dies fatale Folgen: Denn wie die Forscher in weiteren Analysen feststellten, könnte eine Periode abrupter Meereisschmelze zu rapidem Auftauen der Böden führen. Vor allem dort, wo der Permafrost ohnehin bereits gefährdet ist, wie beispielsweise in Zentralalaska, könnte dies zum so genannten „Talik“ führen.

Bei diesem Phänomen taut der Untergrund im Sommer tiefer auf, als er im Winter wieder gefriert. Das Ergebnis ist eine Schicht permanent aufgetauten Bodens zwischen der im Winter vereisten Oberfläche und den dauerhaft gefrorenen tieferliegenden Schichten des Permafrosts. Bedenklich ist dies vor allem deshalb, weil der Talik zu einem Wärmestau im Boden führt, der langfristig das komplette Schmelzen des Permafrosts beschleunigt.

„Unsere Studie deutet darauf hin, dass sich die Erwärmung der arktischen Landmassen und das Abtauen des Permafrosts in den nächsten Jahren noch beschleunigen werden, wenn das Meereis weiter so rapide schrumpft“, erklärt Lawrence.

„Eine wichtige ungelöste Frage ist auch, wie das sensible Gleichgewicht des Lebens in der Arktis auf eine so schnelle Erwärmung reagieren wird“, so der Forscher weiter. „Werden wir beispielsweise beschleunigte Küstenerosion oder erhöhte Methanemissionen sehen? Oder breiten sich Buschlandschaften weiter in die Tundra hinein aus, wenn das Meereis sich zurückzieht?”

Doch diese Entwicklung bringt nicht nur für die arktische Region und Lebenswelt große Veränderungen, sie beeinflusst auch das globale Klima. Denn die Permafrostböden speichern rund 30 Prozent des weltweit im Untergrund gebundenen Kohlenstoffs. Wird er durch Auftauen freigesetzt, steigen die atmosphärischen Konzentrationen der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan noch weiter und schneller an als ohnehin schon.

(National Center for Atmospheric Research, 12.06.2008 – NPO)

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